Würden die Lakers bei einem Abstieg erneut im Chaos versinken?
Silvano Umberg
Markus Bütler, was sind Ihre Erinnerungen an den 9. April 2015?
Gar keine wirklich konkreten. Ich habe nachgeschaut: Es war ein Donnerstag. Somit habe ich gearbeitet und am Abend war ich wohl zu Hause und habe das Spiel mitverfolgt.
Sie hatten damals einen Bankjob mit Führungsfunktion. Was hat Sie dazu bewogen, diesen aufzugeben?
Zum Zeitpunkt des Kontaktes und meiner damaligen Kündigung bei der Bank dachte ich nie daran, dass die Lakers absteigen könnten. Meinen Entscheid rückgängig zu machen, war für mich jedoch keine Option. Nach 17-jähriger Karriere als Eishockey-Profi war ich dankbar gewesen, in die Privatwirtschaft wechseln zu können. Jedoch fehlten mir zunehmend die Emotionen, die Nähe zur grossen Leidenschaft Sport.
In welchem Zustand trafen Sie den Klub damals an?
Bei meinem offiziellen Amtsantritt am 1. Juni waren wohl der grösste Schock und die grosse Leere nach dem Abstieg vorbei. Alle waren wieder motiviert für die anstehende Saison. Schwierig nahm ich die Stimmung zwischen Abstieg und meinem Amtsantritt wahr, da es viele Ungewissheiten gab.
Welches waren die ersten Schritte, die Sie unternahmen?
Also hier will ich betonen: Es waren damals neben mir ganz viele Leute involviert – ganz vorne die damaligen Verantwortlichen des Verwaltungsrats und speziell Rolf Kaufmann (der Rapperswiler Unternehmer unterstützte damals die Lakers als Beisitzer des Verwaltungsrats in strategischen und operativen Fragen, Anm. der Red.). Dann auch Thomas Walser oder Roger Maier. Zunächst war sicher ganz wich-tig, wieder Struktur zu schaffen. Der Klub stand nach dem Abstieg quasi am Punkt null – und musste weiterleben, ganz sicher im Nachwuchsbereich. Bezüglich der ersten Mannschaft muss-ten wir ein neues Team zusammenstellen, da durch den Abstieg alle Spielerverträge nichtig geworden waren. Auch die Sponsorenverträge waren automatisch nicht mehr gültig. Wir mussten also ganz viele Verträge erneuern, den Trainingsbetrieb wieder aufnehmen und einen Trainer suchen.
Bestand die Gefahr, dass es mit den Lakers nicht weitergeht?
Ja. Der Klub schrieb damals tiefrote Zahlen. Ich erinnere mich an ein Meeting bei der Revisionsstelle, wobei es darum ging, ob wir die Bilanz deponieren oder nicht.
Wie lange dauerte es, bis wieder Ordnung im Betrieb war?
Schwierig zu sagen. Wir haben sicher den ganzen Sommer benötigt, um alles wieder in gute Bahnen zu bringen. Wenn die Meisterschaft beginnt, ist eine gewisse Struktur automatisch vorhanden. Der Nachwuchsbetrieb muss-te ja sowieso weiterlaufen, ein grosser Teil des Klubs. Dann haben sich Mannschaft und Trainerstab auf die Spiele vorbereitet, und so wurde alles relativ schnell normal. Auch im Büro hat sich das recht schnell eingependelt. Das Know-how war ja in allen Bereichen vorhanden. Es war mehr der Schock, der anfangs eine Leere gebracht hatte.
Was waren weitere wichtige Aufgaben in dieser ersten Zeit?
Den Graben zwischen Klub und Fans zuzuschütten, der durch den sportlichen Misserfolg, aber vor allem auch durch diese ganze Geschichte mit der Farbe Eisblau entstanden war. Letzteres hatte ich als Spieler selber miterlebt. Der Schritt, zurück zu den Ursprungsfarben zu gehen und damit die Verbundenheit der Fans wiederzuerlangen, war ein ganz entscheidender.
Welche anderen Fehler sehen Sie am Ursprung des Abstiegs?
Das kann und will ich nicht beurteilen. Klar ist, dass die Finanzen ein grosses Thema waren. Es wurden dann sicher einige Entscheidungen getroffen, die sich als unglücklich herausstellten. Mit der Planbarkeit ist es im Sportbusiness so eine Sache. Ein Schuss, ein Treffer kann sehr vieles ändern. Vielleicht kommst du gerade noch in die Play-offs, kannst dort gutes Geld verdienen. Oder du schaffst das eben knapp nicht. Der Grat ist extrem schmal, das haben wir auch diese Saison wieder gesehen.
Die Finanzen im Griff zu haben, ist das eine der grossen Lehren, die aus dem Abstieg gezogen wurden?
Das ist sicher so. Man muss wissen, wo man steht, und welche Möglichkeiten man hat. Momentan können wir leider nicht viel mehr Geld generieren als das, was wir haben, und entsprechend dürfen wir auch nicht mehr ausgeben.
Gibt es weitere Lehren?
Ganz wichtig ist meiner Meinung, einen guten Austausch zu haben unter allen Anspruchsgruppen, die wir im Stadion haben – von Jung bis Alt, von Businessklub bis Stehplatzkurve. Wir sind ein regionaler Klub. Wir sind stark verwurzelt. Und wir sind ein familiärer Klub. Familie heisst ja auch, in schlechten Zeiten zusammenzuhalten. Und wenn ich an unsere Fans denke, dann ist die Unterstützung sehr gut – egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Dies kommt daher, dass die Leute wissen, was die Möglichkeiten des Klubs sind, dass alle wirklich hart arbeiten. Dieses Verständnis, dieses Vertrauen auch, ist etwas ganz Entscheidendes.
Was sind aktuell die grössten Herausforderungen für die Lakers?
Ein ganz grosses Thema ist sicher das Wachstum. Die Konkurrenz entwickelt sich weiter. Und wir müssen es auch tun. Thema Stadion: Nach dem Umbau 2006 hatten die Lakers einen Vorsprung diesbezüglich. Mittlerweile sind wir im unteren Level. Und die Bedürfnisse der Leute haben sich in den letzten 20 Jahren verändert. Von der Stimmung her ist unser Stadion nach wie vor fantastisch. Auf der Ertragsseite, wo Logen und Gastronomie eine zentrale Rolle spielen, sind wir aber eingeschränkt. Nur schon, um unsere aktuelle Wettbewerbsposition innerhalb der Liga halten zu können, müssen wir da sicher einen Schritt weiterkommen.
Da kommt die Politik ins Spiel.
Genau. Wir brauchen Antworten von der Stadt. Gibt es ein neues Stadion? Wo? Kommt ein Schwimmbad? Meiner Meinung könnte auf dem Lidoareal schweizweit etwas vom Besten entstehen. Ein ganz tolles Freizeit- und Naherholungsgebiet, zentral und super an den ÖV angebunden. Man kommt mit der Familie, kann baden, Sport treiben, in den Kinderzoo. Und dann gibt es das Stadion – mit hoffentlich ganzjähriger Gastronomie. Das gäbe uns eine gute Perspektive, eine Million oder zwei Millionen Franken mehr einzunehmen.
Erfolg im Sport ist ziemlich unberechenbar. Auch die heutigen Lakers könnten absteigen. Was wäre dann?
Eine schwierige Frage. Wie damals wären auch heute Spieler- und Sponsorenverträge ungültig für die Swiss League. Nebst der riesigen Enttäuschung wäre der Abstieg auch finanziell eine riesige Herausforderung. Die finanzielle Schere zwischen National League und Swiss League ist im Vergleich zu 2015 grösser geworden. Unsere Organisation ist heute ebenfalls grösser als vor zehn Jahren, was einschränkende Massnahmen zur Folge hätte für uns als KMU und Arbeitgeber.
Als wie gross betrachten Sie denn die Gefahr eines Abstiegs?
So wie die Verhältnisse in der Nationalund Swiss League aktuell sind, glaube ich, musst du schon sehr tief in einen negativen Strudel hineingeraten, um wirklich abstiegsgefährdet zu sein. Es müssen sich fast schon Auflösungserscheinungen zeigen, wie wahrscheinlich bei den Lakers damals oder bei Kloten drei Jahre später beim Wiederaufstieg der Lakers. Die aktuelle Saison verdeutlicht dies meiner Meinung, zeigt aber auch, dass man wirklich aufpassen muss. Die Ligaqualifikation gegen Visp war zwar zäh für Ajoie. Aber weil der Klub stabil ist, alle voll dahinterstehen, konnte er die Serie doch mit 4:1 Siegen für sich entscheiden.
2015 wurde von verschiedener Seite angeprangert, dass es keinen wirklichen Plan B gab für den Fall eines Abstiegs.
Im Detail kann es meiner Meinung einen solchen Plan B gar nicht geben. Mit den Spielern und Sponsoren Verträge für zwei Ligen auszuhandeln, ist unrealistisch. Das würde auch sehr pessimistisch wirken. Wichtig ist, dass die Organisation eine gute Struktur hat und finanziell gesund ist. Dann kommt es nicht zum Chaos. Wir reden hier jetzt vor allem über die erste Mannschaft – und somit die Lakers Sport AG. Aber wir haben 26 weitere Teams, von der U9 über die U21 bis hin zu den Frauen. Der Nachwuchsbereich ist die grösste Verantwortung, die wir tragen. Um das Risiko zu minimieren, ist die Nachwuchsabteilung längst in eine separate AG überführt worden.
Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Lakers in den letzten zehn Jahren?
Wir Schweizer sind ja immer recht zurückhaltend, wenn es um die Beurteilung der eigenen Leistung geht. Aber vergleicht man damals mit heute, darf man, glaube ich, sagen: So schlecht war die Entwicklung nicht. Wir stehen als Organisation solid da. Und wir haben auch sportlich ein paar Dinge erreicht, sind B-Meister geworden, aufgestiegen, haben mit dem Cup einen Titel in die Stadt gebracht. Wir waren in der Cham-pions League, Dritter und Vierter in der Qualifikation der National League.
Abschliessend: Wo stehen die SCRJ Lakers in zehn Jahren?
Sofern die Welt dann noch einigermassen so ist wie heute – woran ich angesichts der aktuellen Entwicklungen meine Zweifel habe –, dann würde ich sagen: Sie spielen immer noch in der National League und bewegen sich etwa im gleichen Rahmen wie jetzt. Und ich hoffe, dass sich dann nicht mehr die Frage stellt, wo die Trainingshalle hinkommt, sondern höchstens jene, ob sie gut geworden ist oder schlecht.
Vor zehn Jahren war der Abstieg für die SCRJ Lakers – nach 21 Jahren in der NLA – einschneidend. Markus Bütler spielte von 1998 bis 2010 für das Team. Wenige Monate nach dem Abstieg kehrte er als Geschäftsführer zurück. Der 52-Jährige blickt auf die turbulente Zeit zurück.
«Wir sind ein familiärer Club.» «Der Grat ist extrem schmal, das haben wir auch diese Saison wieder gesehen.»