Gemeindepräsident will sich gegen Flussaufweitung wehren
Daniel Fischli
Selten ist ein Ja ein so klares Nein. Laut der Glarner Regierung ist das «Reglement zum Erhalt des Linthwerks» der Gemeinde Glarus Nord zwar rechtens, aber nicht anwendbar. Der Gemeinderat will es trotzdem versuchen. Das Reglement ist gegen die Flussaufweitung im Kundertriet unterhalb von Mollis gerichtet.
Die Vorgeschichte
Das Linthwerk will unterhalb von Mollis im Kundertriet der Linth mehr Raum geben. Wie weiter flussabwärts im Chli Gäsitschachen soll der bergseitige Damm verlegt werden, damit im breiteren Flussbett eine Auenlandschaft entstehen kann. Die Pläne sind vor vier Jahren präsentiert worden und haben bald Gegnerinnen und Gegner auf den Plan gerufen.
Die Gemeindeversammlung von Glarus Nord vom Juni 2023 hat dann gegen den Willen des Gemeinderates einen Antrag der Gegnerinnen und Gegner der Aufweitung angenommen. Sie hat ein Reglement erlassen, das den Gemeinderat dazu verpflichtet, «sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Massnahmen» zu ergreifen, um Veränderungen des Linthwerks zu verhindern. Insbesondere muss er Einsprachen erheben, wenn solche Veränderungen geplant sind.
Der Gemeinderat – damals noch unter Gemeindepräsident Thoma Kistler (SP) – hatte sich gegen den Erlass gewehrt mit dem Argument, ein solches Reglement sei widerrechtlich. Es verstosse erstens gegen Bundesrecht, denn dieses verlange, dass Gewässer revitalisiert würden. Und zweitens sei der Hochwasserschutz nicht Sache der Gemeinde, sondern des Kantons respektive des Linthwerks. «Es muss deshalb damit gerechnet werden, dass der Kanton Glarus das Reglement als unzulässig erklären würde », so der Gemeinderat damals. Die Gemeindeversammlung hat dann aber mit 497 gegen 139 Stimmen gegen den Antrag des Gemeinderates dem Reglement sehr deutlich zugestimmt.
Das Linthwerk wehrt sich
Das Linthwerk hat nach der Gemeindeversammlung – wie vom Gemeinderat prophezeit – gegen den Beschluss eine sogenannte Aufsichtsanzeige bei der Regierung eingereicht. Die Verantwortlichen des Linthwerks haben in der Anzeige gefordert, das Reglement sei aufzuheben. Anders als vom Gemeinderat vermutet, hat die Regierung das Reglement dann aber im November 2024 nicht für unzulässig erklärt. Auf gerade einmal vier Zeilen erklärt die Regierung, das Reglement enthalte keine rechtswidrigen Bestimmungen. Es sei «an sich» zulässig, dass der Gemeinderat Glarus Nord gestützt auf das Reglement Einsprachen erhebe. Der Entscheid liegt vor, die Gemeinde Glarus Nord hat darüber aber bisher nicht informiert.
Kanton ermahnt die Gemeinde
Nach den vier Zeilen zur Zulässigkeit des Reglementes lässt die Regierung aber anderthalb Seiten Argumente gegen die tatsächliche Anwendung folgen. Die Bedenken des Linthwerks und des Gemeinderates seien «gewichtig», so die Regierung. Denn es sei absehbar, dass die Gemeinde mit ihren Einsprachen «regelmässig» vor Gericht unterliegen würde und deshalb ebenso regelmässig die Verfahrenskosten tragen müsste. Wenn der Gemeinderat aber aussichtslose Verfahren führe, schade er damit den Steuerzahlern und verletze deshalb das Glarner Finanzhaushaltsgesetz. Das Fazit der Regierung: «Aussichtslose Verfahren dürfen nicht geführt werden.» Der Regierungsrat schliesst seine Ermahnungen an die Gemeinde mit einer Empfehlung: Wenn sich herausstellen sollte, dass das Reglement nicht angewendet werden kann, «so drängt sich eine Aufhebung durch eine Gemeindeversammlung auf».
Der Gemeinderat kontert
Ganz anders als die Regierung sieht die Sache der Gemeinderat unter dem jetzigen Gemeindepräsidenten Fritz Staub (SVP). Das Reglement ist laut Staub seit dem 1. Januar in Kraft und bisher sei es noch nicht angewendet worden.
Aber Staub sagt: «Wir haben einen Auftrag der Gemeindeversammlung, und wir werden das Reglement selbstverständlich anwenden.» Das bedeute, dass der Gemeinderat die Baueingabe des Linthwerks studieren werde und: «Wenn wir handeln müssen, werden wir handeln.» Diese Baueingabe dürfte im Herbst eingereicht werden.
Die Ermahnung der Regierung, keine aussichtslosen Verfahren zu führen, kontert Fritz Staub mit der Bemerkung, es sei im Voraus schwierig zu sagen, ob ein Verfahren aussichtslos sei oder nicht. «Dies muss jeweils im Verfahren geklärt werden», sagt Staub.
Die Doppelrolle
Wenn der Gemeinderat dann tatsächlich eine Beschwerde gegen das Baugesuch des Linthwerks einreicht, kommt er in eine Doppelrolle. Es entsteht nämlich die eigenartige Situation, dass der Gemeinderat als Baubewilligungsinstanz seine eigene Beschwerde abweisen oder gutheissen muss. Es ist wohl nur schon damit vorprogrammiert, dass das Verfahren weitergezogen wird.
Ende Mai will sich der Gemeinderat mit den Gegnern und Gegnerinnen der Flussaufweitung, der «IG für den Erhalt des Escherkanals», treffen und anschliessend die Öffentlichkeit informieren.
Die Gegnerinnen und Gegner der Flussaufweitung an der Linth unterhalb von Mollis bekommen im Gemeinderat von Glarus Nord einen neuen Verbündeten. Das sind die Hintergründe.
«Aussichtslose Verfahren dürfen nicht geführt werden.»