Belebtes Joachim-Raff-Archiv mit Referat und Musik
Der Musikwissenschaftler Severin Kolb und die Konzertpianistin Eleonora Em begeisterten am Samstagvormittag das zahlreiche Publikum mit einem tiefen Einblick in den Musikkosmos des 19. Jahrhunderts.
Zwei Brüder im Geiste», so bezeichnete der wissenschaftliche Archivleiter die beiden herausragenden Komponisten des 19. Jahrhunderts. Ihnen widmete sich Severin Kolb am Samstagvormittag im Joachim-Raff-Archiv in Lachen.
Da ist zum einen der tschechische Nationalkomponist BedÅich Smetana (1824–1884) und zum anderen der schweizerisch-deutsche, einheimische Tonschöpfer Joachim Raff (1822–1882). Ob sich die beiden persönlich kannten, muss aufgrund der gegenwärtigen Quellenlage offen bleiben. Smetana dirigierte in Prag verschiedentlich Werke von Joachim Raff. Ob Raff Smetanas Musik kannte, ist hingegen nicht überliefert.
Referat und Musik als Ergänzung
Beide Komponisten, die aus sehr ähnlichen Verhältnissen stammen und eine süddeutsch geprägte Bildung erhielten, strebten eine Komponistenkarriere an, die sie sich aber mit virtuosem Klavierspiel und Unterricht lange und entbehrungsreich erkämpfen mussten. Unterstützung fanden beide bei Franz Liszt, dem sie ähnliche Werke widmeten.
Die Konzertpianistin Eleonora Em verstand es mit ihrem meisterhaften Spiel, die Gegensätze und Gemeinsamkeiten mit sorgfältig ausgewählten Stücken aufzuzeigen. Sowohl von der Themenfindung her (Naturbilder, stilisierte nationale und volkstümliche Tonfälle und von der Revolution 1848 inspirierte Märsche) gaben die Stücke manchen Zuhörenden Rätsel auf, wer denn nun wirklich der Schöpfer eines der Stücke war.
Dank Spagat Gefahr gebannt
Auf dieser Basis entstanden patriotische Werke wie Smetanas Zyklus «Mein Vaterland» oder Joachim Raffs Symphonie Nr. 1 «An das Vaterland». Beide entwickeln sich im Geiste des immer stärker werdenden Liberalismus und stellten ihre Musik zu ähnlichen Zeitpunkten (um 1848 und dann vermehrt um 1860) in den Dienst des «Vaterlandes» – sie sind Kinder ihrer Zeit.
Beide umschifften zudem die Gefahr, dem trügerischen Geiste einer billigen, nationalistisch geprägten, pathetischen Musik zu verfallen. Sie schafften den Spagat zwischen volkstümlicher Thematik und gleichzeitig internationaler Moderne. Smetana konnte sich als tschechischer Nationalkomponist festsetzen, während Joachim Raff gerade gegenwärtig eine internationale Renaissance feiern darf. (eing)