Zwei Spieler stechen im Abwehrcasting heraus
Michael Lehmann (sda)
Es sei ein sehr interessanter Zusammenzug gewesen, so Murat Yakins Urteil nach dem zweiten Testspiel am Dienstag, das die Schweiz in St.Gallen mit 3:1 gegen Luxemburg gewann. Als feststand, dass seine Mannschaft erst im Herbst in die WM-Qualifikation einsteigen würde, war für den Nationaltrainer klar, dass er den Länderspiel-Termin im Frühling nutzen wollte, um neue Spieler zu testen.
Leistungsträger wie Granit Xhaka und Manuel Akanji waren für einmal nicht dabei, Zeki Amdouni musste kurz vor dem Camp absagen, Remo Freuler fiel während des Zusammenzugs aus. Dafür standen Spieler im Aufgebot, von denen man vorher kaum etwas gehört hatte. Vor allem in der Abwehr hat Yakin einiges ausprobiert.
Gartenmann und Blondel sind nur «Optionen»
Sie waren die beiden Exoten im Aufgebot: Stefan Gartenmann, in Dänemark aufgewachsen und in Ungarn engagiert, und Lucas Blondel, der mit seiner Familie in früher Kindheit nach Argentinien zog und dort bei den grossen Boca Juniors spielt. In den Interviews erwiesen sie sich als erfrischende Sympathieträger, auf dem Platz zeigten sie teils gute Ansätze, konnten aber auch gewisse Defizite nicht verbergen. Es war aller-dings zu erwarten, dass sie sich in der neuen Umgebung erst zurechtfinden müssen. Über Blondel sagte Yakin, er passe hervorragend ins Team, über Gartenmann, er ha-be seine Sache sehr gut gemacht.
Dass im Ausland Spieler mit Schweizer Wurzeln gesucht werden, die mit 28 Jahren noch im Nationalteam debütieren, unterstreicht die fehlende Breite in der Abwehr. Blondel und Gartenmann seien nun weitere Optionen für ihn, sagte Yakin. Für Einsätze in der Startelf konnten sie sich aber nicht aufdrängen.
Muheim und Zesiger geben Visitenkarte ab
Anders sah es bei Cédric Zesiger und Miro Muheim aus. Die beiden in Deutschland engagierten Legionäre nahmen den Schwung aus der Liga mit und zeigten in den Spielen gegen Nordirland (Zesiger) und Luxemburg (Muheim) starke Leistungen. Zesiger, der im Nationalteam bisher nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinausgekommen war, bewarb sich um den Platz neben Abwehrchef Manuel Akanji. Muheim, der in der 2. Bundesliga lange wenige Beachtung erhalten hatte, überzeugte auf der linken Seite offensiv wie defensiv.
Eine gute Leistung zeigte auch Debütant Isaac Schmidt, der sich in Belfast ein Sonderlob von Yakin abholte. Der Aussenverteidiger muss es nun schaffen, im Verein (Leeds United) öfter zu spielen. Der 21-jährige Albian Hajdari ist ein Versprechen für die Zukunft.
Werben um Pechvogel Alvyn Sanches
Ein Spieler, der in der Offensive den Unterschied ausmachen kann, ist Alvyn Sanches. Der Stürmer, der im Februar seinen 22. Geburtstag feierte, hat in dieser Saison dank starker Leistungen bei Lausanne- Sport seinen Marktwert in die Höhe getrieben. Viele sehen in ihm bereits den Nachfolger von Xherdan Shaqiri. Umso bitterer war es, als er sich bei seinem Länderspieldebüt in Nordirland schwer verletzte. Der Kreuzbandriss setzt ihn für mehrere Monate ausser Gefecht.
Die Mannschaft wandte sich daraufhin per Videobotschaft an Sanches. «Wir alle werden dich bei deinem Comeback unterstützen, du wirst noch stärker auf den Platz zurückkehren, wir war-ten auf dich», sagte Breel Embolo. Neben den zweifellos ehrlichen Genesungswünschen war auch ein gewisses Werben zu spüren. Sanches ist schweizerisch-portugiesischer Doppelbürger und hat sich noch nicht klar zur Schweiz bekannt.
Zakaria weiter mit schwerem Stand
Denis Zakaria kommt im National-team weiter nicht richtig in Fahrt. Der Mittelfeldspieler, der bei Monaco als Captain eine wichtige Rolle spielt, konnte seine Qualitäten im Schweizer Dress bisher nur sel-ten abrufen. Gegen Nordirland blieb er unauffällig, gegen Luxemburg wurde er erst in der zweiten Halbzeit eingewechselt. Yakin setzte ihn zunächst in der Abwehr ein, zog ihn dann aber wieder eine Position weiter nach vorne.
Im defensiven Mittelfeld konnten Vincent Sierro und Djibril Sow, der nach langer Abwesenheit sein Comeback in der Nationalmannschaft gab, mehr Akzente setzen. Doch auch sie werden es schwer haben. An Granit Xhaka führt kein Weg vorbei, und neben ihm ist normalerweise Remo Freuler gesetzt. Gleichzeitig drängt mit Ardon Jashari ein junges Talent nach. Das Zentrum der Schweizer Nationalmannschaft ist derzeit ausserordentlich gut besetzt.
Die Dreierabwehr funktioniert besser
Das Spielsystem hat sich unter Yakin immer wieder verändert. Vor der EM stellte er etwas überraschend auf eine Dreierkette in der Abwehr um, in der Nations League kehrte die Viererkette zurück. Im direkten Vergleich der beiden Testspiele setzte sich das 3-4-3 klar gegen das 4-2-3-1 durch.
Auf ein System will sich Yakin aber nicht festlegen. Der National-coach legt Wert auf Flexibilität und will bei der Wahl der Formation auch auf die Stärken des Gegners reagieren. Generell wirkte die Schweiz zuletzt aber sicherer, wenn sie im 3-4-3 agieren und den Angriff über die Flügelspieler forcieren konnte. Auch weil das andere System auf einen starken Zehner ausgelegt ist, über den die Schweiz derzeit nicht verfügt.
Die WM-Qualifikation wird schwierig
Wie die Schweiz hat auch Schweden, der vermeintlich stärkste Konkurrent in der WM-Qualifikation, Testspiele gegen Nordirland und Luxemburg bestritten. Während sich die Schweiz in Nordirland schwertat, stolperten die Schweden auswärts gegen die Luxemburger. Beiden Teams gelang im jeweils zweiten Spiel eine Reaktion.
In der Nations League zeigten derweil Slowenien und Kosovo, dass auch mit ihnen zu rechnen ist. Die Slowenen verteidigten ihren Platz in der Liga B, Kosovo schaffte gegen Island den Aufstieg. Damit spielen künftig alle vier Teams in der zweithöchsten Liga der Nations League. Es zeichnet sich ein ausgeglichener Kampf um die Teilnahme an der WM 2026 in Nordamerika ab.
Fünf Debüts, zwei Systeme: Die Testspiele im März standen für das Schweizer Fussball-Nationalteam ganz im Zeichen des Experimentierens. Nationaltrainer Murat Yakin spricht über seine Erkenntnisse.
Dass im Ausland Spieler mit Schweizer Wurzeln gesucht werden, unterstreicht die fehlende Breite in der Abwehr.