Chalets über Chalets
Die Villa Patumbah und das Zentrum Architektur Zürich widmen sich in ihren spannenden und vielfältigen Ausstellungen dem Thema «Chalet». Die Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee haben diese besucht.
In den prächtigen Parkanlagen der Villa Patumbah im Zürcher Seefeld trafen sich die Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee kürzlich bei strahlendem Sonnenschein. Die vom erfolgreichen Sumatra-Heimkehrer Carl Fürchtegott Grob in Auftrag gegebene Villa wurde 1883 gebaut und war zu seiner Zeit der teuerste Privatbau in Zürich. Patumbah, der Ort als auch der Name von Grobs Plantage,bedeutet «offenes Haus». Der 51-jährige Geschäftsmann heiratet nach seiner Rückkehr die 20 Jahre jüngere Anna Dorothea Grob-Zundel, die mit den beiden gemeinsamen Töchtern nach dem Tod ihres Mannes 1893 noch bis 1911 in der Villa lebte. Sie schenkte den Prachtbau dem Diakoniewerk Neumünster, das bis 1975 dort ein Altersheim betrieb und kurzerhand im wunderschönen Park fortan Gemüse und Obst anbaute. Viele der aufwändigen und einmaligen Wandmalereien verschwanden hinter Putz und weisser Farbe und wurden erst nach der Übernahme durch die Stiftung Patumbah von 2010 bis 2013 mühevoll restauriert.
Begeisterung für Chalets kannte keine Grenzen
Jan Kobler, Vermittlung Baukultur des Heimatschutzzentrums, führte durch die Wanderausstellung «Mythos Chalet – Sehnsucht, Kitsch und Baukultur», die nun weiter nach Luzern zieht. Chalet bedeutete ursprünglich Sennhütte, von den Französischschweizer Viehzüchtern «châlets» genannt. Die naturromantische Erzählung «Julie oder Die neue Héloise» von Jean-Jacques Rousseau löste im 18. Jh. eine unglaubliche Begeisterung für die Schweizer Berge aus, dem beschaulichen Sehnsuchtsort des Alpenlandes – und das Chalet mittendrin. Für die ersten Touristen in der Schweiz verkörperten diese Holzhäuser die «wahre und freie» Lebensweise der Bergler und so gehörten kleine oder grosse Mini-Chalets, von lokalen Kunsthandwerkern gefertigt, zu den beliebtesten Souvenirs. Auch die Maler, sogenannte Schweizer Kleinmeister, widmeten sich ganz der Darstellungen von Chalets und trugen wesentlich zur idealisierten Vorstellung bei. Die Begeisterung wurde vom europäischen Adel aufgenommen und wer es sich leisten konnte, baute sich sein Chalet im eigenen Landschaftsgarten, als Gärtnerhaus oder Spielpavillon. Aber auch in öffentlichen Parkanlagen, wie die fünf Chalets, die 1855 im Bois de Boulogne in Paris errichtet wurden. Schweizer Holzbaubetriebe machten sich die Popularität zunutze und war-ben in ihren Katalogen mit vorfabrizierten «Châlet Suisse», die man als Fertigbausatz 1:1 bestellen konnte, wie der Katalog der Chaletfabrik Kuoni Chur um 1900 zeigt. Das Swiss Cottage war besonders in der Belle époque bei Engländern und Amerikanern beliebt, auch wenn diese Landsitze dann nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Chalet gemeinsam hatten.
Chalets sogar in New Glarus
«I Love Chalets» im ZAZ Bellerive untersucht eher die moderne Interpretation dieses Themas. Kuratorin Nicole McIntosh führte durch die spannende Ausstellung und erklärte, wie das Schweizer Chalet hinaus in die Welt wanderte. Ein Beispiel sind die Aufnahmen von Brian Griffin, die Geschäftsfassaden in New Glarus, Wisconsin, 1845 von Schweizern gegründet, zeigen. Findige Geschäftsleute «verschweizerten » 1950 ihre Gebäude, um den unter einem ökonomischen Niedergang leidenden Ort wieder attraktiver zu machen. Diese Strategie hatte grossen Erfolg. Ganz anders sind die ausgestellten Fotografien anonymer Chalets in der Schweiz, vom Lachner Fotografen und Kunstverein Vorstandsmitglied Patrick Lambertz. Weitere Räume zeigen Chalets aus New Glarus zum Falten, eine scheinbar unendliche Anzahl architektonischer Vorschläge der KI in einer von Studenten erschaffenen Installation, verschiedene Chalet-Versionen für das Ferienprojekt von Samih Sawiris in Andermatt, Fotografien von Bahnhöfen im Chaletstil, Modelle und Filme und Vieles mehr. In der Fischerstube direkt am See fand dieser spannende Tag seinen kulinarischen Ausklang. (eing) Bilder unter www.kunstverein-oz.ch