Playoffs ist, wenn Schmerzen und Müdigkeit einfach so verschwinden
Waltteri Merelä lässt die Hoffnungen des SC Bern auf eine Wende gegen Fribourg-Gottéron leben. Und Teamkollege Tristan Scherwey gibt sich nach der dritten Verlängerung in der Serie demonstrativ fit.
Die Playoffs sind im Eishockey auch immer die Zeit, in der die Spieler keinerlei Schwäche zeigen wollen. Schliesslich könnte jede potenzielle Schwachstelle zum Vorteil für die gegnerische Mannschaft werden. Auch wenn die Nase blutig ist, es im Oberschenkel zieht, die Schulter lädiert ist von einem harten Aufprall auf dem Eis – sobald der erste Playoff-Puck eingeworfen ist, wird «Schmerzen» aus dem Vokabular eines jeden Hockeyprofis gestrichen.
Waltteri Merelä steht am späten Samstagabend im «Bärengraben» – dem Bereich in der Berner Postfinance-Arena zwischen Eisfeld und Garderobe, wo sich Sportler und Journaille kreuzen. Das Gesicht des finnischen Topskorers ist blutverschmiert, die Naht, die sich durch seine Nase zieht, die Folge einer Szene, die in der 75. Minute des fünften Akts im Zähringer Derby zwischen dem SCB und Fribourg-Gottéron die meisten der 17031 Fan-Gemüter in der Arena arg in Wallung bringt.
Mereläs Sarkasmus
Julien Sprunger streckt Merelä mit einem Ellbogencheck nieder, doch statt Fribourgs Captain mit einer Fünfminuten-Strafe unter die Dusche zu schicken, entscheiden die Schiedsrichter, die Partie ohne Sanktionen weiterlaufen zu lassen. «Es war keine Strafe», sagte Merelä, der nach dieser Szene kurz in der Kabine verschwand, um sich den tiefen Schnitt in der Nase nähen zu lassen. «Ich habe in dieser Serie schon einen Zahn verloren. Das war auch keine Strafe.»
Auch wenn von der Stehrampe der Berner Fans bei diesen Worten nach wie vor lautstark Lieder in das weite Rund des «Tempels» gesungen werden – der Sarkasmus im Votum des 26-Jährigen ist unüberhörbar. Der Skandinavier hätte an diesem Samstagabend zur tragischen Symbolfigur dieser SCB-Saison werden können. Als Skorer, der in der Qualifikation beinahe einen Punkt pro Partie verbucht, aber dann, wenn es wirklich darauf ankommt, wie ein geschlagener Hund vor den Katakomben Wunden lecken muss.
Aber Mereläs Geschichte an diesem Abend ist keine Tragödie, sondern ein Heldenepos. Weil der Flügelstürmer mit genähter Nase aufs Eis zurückkehrt und 8,8 Sekunden vor dem Ende der ersten Verlängerung den Schuss von der blauen Linie von Hardy Aktell entscheidend zum 3:2 ablenkt, was diese Viertelfinal-Serie mindestens um zwei Tage verlängert.
Scherweys Ausdauer
Wahrscheinlich ist die Mehrheit der Spieler froh, wurde ihnen ein fünftes Drittel diesmal erspart. Sagen würde das freilich niemand einfach so. Denn mit der Müdigkeit ist es eine ähnliche Sache wie mit Schmerzen. Müde in den Playoffs, nach fast zwei Wochen mit Spielen im Zweitagesrhythmus? «Äuä», würde der Berner sagen. Der Freiburger Tristan Scherwey formuliert es so: «Genau dafür haben wir trainiert. Das ist doch geil, so viel zu spielen. Wir wären jedenfalls parat gewesen.»
Lange muss sich der Berner Publikumsliebling ja nicht gedulden, bis er wieder die Schlittschuhe schnüren darf. Am Montag spielt der SCB in Fribourg ein weiteres Mal dafür, das Saisonende hinauszuzögern. Dafür braucht die Mannschaft von Jussi Tapola aber den ersten Auswärtssieg in Fribourg in dieser Serie.
Ob der finnische Coach für dieses Unterfangen wieder auf Philip Wüthrich im Tor setzt, wird sich weisen. Der 27-Jährige, der in Spiel 5 zu seinem zweiten Einsatz in diesen Playoffs kam, hielt sein Team vorab in der Verlängerung mit einigen starken Interventionen in der Partie. Der Berner, der ab der nächsten Saison das Tor von Ambri-Piotta hüten wird, wäre neben Merelä eine zweite grosse Figur dieses Abends. Doch Wüthrich hält es wie andere Goalies und redet in den Playoffs nicht. Es ist eine weitere Eigenheit des Playoff-Eishockeys, das Schmerzen und Müdigkeit verschwinden und Torhüter verstummen lässt.