«Die Strukturen in St. Pölten sind einfach super»
Michel Wassner
Ella Touon ist in St.Pölten. Das ist die Landeshauptstadt Niederösterreichs und das macht Sinn. Sie spielt dort Fussball für den SKN. Erste Bundesliga, Frauen, Tabellenführer. Ihr Heimstadion, die NV Arena, fasst 8000 Zuschauende. Auch die österreichische Frauen-Nationalmannschaft spielt gelegentlich hier. Der Ort, an dem Träume gelebt werden? Immerhin wird der SKN – aller Wahrscheinlichkeit nach – in dieser Saison zum zehnten Mal in Folge Meister.
Die 21-jährige Lachnerin war von der SGS Essen aus der deutschen Bundesliga nach St.Pölten gewechselt. Es ist somit schon der zweite Club im Ausland. Heimweh hat die Sportlerin nicht. Wobei: «Natürlich freue ich mich immer sehr, wenn ich zu Hause bin in Lachen.» Ein Ort, den sie sehr schätzt, den See, die Berge.
Wer von der deutschen in die österreichische Bundesliga wechselt, hat gute Gründe. «St. Pölten ist in Österreich das Nonplusultra. Die Strukturen sind einfach super.» Touon wollte die Chance nutzen Champions League zu spielen, gegen die Grossen, international. Bei Essen ging es eher um den Abstiegskampf.
Grosse Momente, Rückschläge
Abwehr, links: Dort fühlt sich Ella Touon am wohlsten. Linksfüsse gibt es nicht so oft. «Und wenn man bei den Junioren eh nur sieben Spieler auf dem Feld hat, schickt man die, die am besten mit links spielt eben nach links.» Aus den sieben wurden elf, Ella blieb ihrer Position treu. Heute spielt sie etwas offensiver. Das gefällt ihr am besten.
Mit ihren 21 Jahren hat die Lachnerin schon so einige Momente für die Ewigkeit gesammelt. Da war der U15-Meistertitel mit den Jungs. Dann das erste A-Nationalspiel für die Schweiz. «Man fängt an, Fussball zu spielen, und realisiert das zuerst gar nicht so. Und plötzlich schreiben dir Freunde, dass sie dich im Fernsehen gesehen haben.» Ebenfalls auf der Liste: das erste Bundesligaspiel mit Essen – und das gleich gegen die FC Bayern Frauen.
Und dann natürlich die Champions- League-Spiele – ein Highlight. «Letztes Jahr durften wir in Lyon bei den Männern im Stadion spielen. Dieses Jahr gegen Barcelona in Wien vor einer Rekordkulisse. Und das Auswärtsspiel gegen Manchester. «Solche Champions League-Nächte sind schon etwas ganz Besonderes. Gegen die ganz Grossen spielen zu dürfen.» Auch Rückschläge musste die Lachnerin in ihrer jungen Karriere schon verkraften. Zuerst der Fuss. Dann bis November 2024 das Knie. Sie war neun Wochen ausgefallen. Diagnose: Riss des hinteren Kreuzbands. Dadurch verpasste sie den Anfang der Champions League. Jetzt ist sie wieder fit.
Rasen statt Eis
Ella Touon spielt Fussball, seit sie klein ist. Ihr Weg war nicht immer gerade. «Als ich drei war, sind wir von Deutschland nach Lachen gezogen. Ich habe viel im Garten Fussball gespielt mit den Nachbarn.» Doch weil ihre Mutter davon nicht so begeistert war, meldete sie Ellas Bruder kurzerhand beim Eishockey an. Doch Ella liess sich nicht beirren. «Beim FC Lachen gab es damals noch keine Bambinis. Man konnte erst mit sieben in den Verein.» Aber Ella und ein Kollege wollten schon mit sechs Fussball spielen. «Und dann ha-ben wir seine Mutter überredet, dass sie einen Trainerschein macht. Sie tat das und war somit unsere erste Trainerin. » Nächste Station dann der FC Lachen. Ab 2018 spielte sie bei Rapperswil.
In den Farben der Nati
Der Vertrag in St. Pölten läuft noch bis 30. Juni. Was danach kommt, ist offen. Was Touon weiss: Sie will weiterhin Fussball spielen, ihren Traum leben. Auf jeden Fall. Apropos Traum: Auch für die Nationalmannschaft stand die Lachnerin schon auf dem Feld. Ob die Doppelbürgerin für die Schweiz oder Deutschland spielen möchte, war für sie nie eine Frage. «Weil ich in der Schweiz aufgewachsen bin und hier auch Fussball spielen gelernt habe, kam ich automatisch in die U-Natis. Für mich war immer klar, dass ich das Land vertreten möchte, wo ich aufgewachsen bin, wo mir alles beigebracht wurde.» Nächster grosser Anlass ist die EM in der Schweiz. Das Eröffnungsspiel findet am 2.Juli in Basel statt. Die Schweiz spielt gegen Norwegen. Ob Touon dabei sein wird, weiss sie noch nicht. Was sie weiss: Sie wird alles dafür geben. Denn letztlich entscheide sich das auf dem Platz. «Die EM mitzuspielen ist natürlich auch eine riesige Möglichkeit, für den schweizerischen Frauenfussball Eindruck zu hinterlassen. Und Mädchen dafür zu begeistern. Eigentlich viel mehr Leute in der Schweiz für Frauenfussball zu begeistern. » Touon wäre bereits bei der letzten Europameisterschaft in England dabei gewesen. Eine Fussverletzung beendete die EM-Träume. Und sorgte für zusätzliche Motivation. Fürs nächste Mal. Also heuer.
Fernziel ist die WM 2027 in Brasilien. Da ist die Lachnerin dann im besten Fussballalter und wie sie hofft an einem Punkt, wo sie mehr Verantwortung übernehmen kann.
Psychologie und Fussball
Irgendwann wird es ein Leben nach dem Fussball geben. Darauf bereitet sich Ella Touon bereits vor. Psychologie soll es sein. Nach der Matura startete sie ein Fernstudium an der Fernuni Hagen in Deutschland. Die Klausuren schreibt sie aktuell in Wien. «Für mich ist es natürlich sehr wichtig, neben dem Fussball noch etwas zu haben.» Aktuell könne sie gut vom Sport leben. Aber das Lohnniveau ist mit jenem der männlichen Kollegen nicht vergleichbar. «Man hat nach der Karriere nicht ausgesorgt», sagt die Sportlerin. Mit Mitte 30 wird die Karriere vorbei sein. «Und es ist für mich auch manchmal cool, den Kopf noch woanders zu haben, als immer nur im Fussball.» Der Ausgleich macht ihr Spass. Sie muss schmunzeln und schränkt ein: «Vielleicht nur nicht gerade in der Klausuren-Phase.»
In unserer Serie «Sportler des Monats» stellen wir Ausserschwyzer Athleten vor, die es in ihrer Sportart geschafft haben. Heute: Ella Touon aus Lachen, Fussballprofi.
«Plötzlich schreiben dir Freunde, dass sie dich im TV gesehen haben.» «Champions League-Nächte sind etwas ganz Besonderes.»