Eine Reise durch die Siedlungsgeschichte
Siebnen-Galgenen wurde im 19. Jahrhundert zu einem industriellen Zentrum – vorher dominierten landwirtschaftliche Streusiedlungen. Treibende Kraft war stets das Wasser.
Am Samstagvormittag lud die FDP.DieLiberalen Galgenen zu ihrem 12.Gipfeltreffen – und eine stattliche Zahl Interessierter fand den Weg in den «Sternen » in Siebnen, um bei Kaffee und Gipfeli Architekt Toni Schnellmann zu lauschen. Dieser nahm die Gäste mit auf eine sinnbildliche Wanderung von der letzten Eiszeit bis ins moderne Siebnen-Galgenen. Im Zentrum seiner Präsentation über die Dorfentwicklung von Galgenen im historischen Kontext, mit speziellem Fokus auf Siebnen-Galgenen, stand das Wasser – als «Blauer Faden» sozusagen, wie er mit einem Schmunzeln anmerkte. Die Kraft des Wassers habe die ganze Landschaft gestaltet, dann seien technische Entwicklungen als weiteres Gestaltungselement hinzugekommen.
Flusssysteme formten die Region
Darum begann der profunde Kenner der historischen Bausubstanz in der March seine Ausführungen folgerichtig mit der letzten Eiszeit, die vor rund 12 000 Jahren endete. Die heutige Linthebene bildete damals einen tiefen Trog. Nach dem Rückzug des Linth-Gletschereises blieb ein riesiger See, der den heutigen Zürichsee wie auch den Walensee und den Bodensee umfasste. Dieser verlandete sukzessive, die heutige Linthebene wurde zum Schwemmland.
Die noch ungezähmten und verzweigten Flusssysteme Wägitaler Aa und Spreitenbach führten Schutt mit sich. So wurde die Region am Ausgang des Wägitals sukzessive aufgeschüttet. Von dieser Schuttbrücke zeugt der kiesige Boden an einigen Stellen im ansonsten, vor der Linth-Melioration sumpfigen Gelände.
Doch wie sieht es mit der Siedlungsgeschichte von Galgenen aus? Diese ist nicht leicht zu rekonstruieren. Es gibt laut Toni Schnellmann einige Hinweise, dass das Gebiet während der Bronzezeit vor rund 3000 Jahren bis zur Römerzeit vereinzelt besiedelt war. Und zwar nicht nur in Seenähe von Pfahlbauern. So sehe man unter dem Gusöteli einen aufgeschütteten Wald, keine Felsrippe wohlgemerkt. Dies könne ein Zeichen für eine befestigte bronzezeitliche Siedlung sein. Ein Beweis dafür stehe aber noch aus.
Streusiedlungen dominierten
Belegt hingegen seien alemannische Streusiedlungen in der March seit dem 6. oder 7.Jahrhundert. Siebnen werde als kleiner Weiler «Sibeneihha» 927 erstmals urkundlich erwähnt und Galgenen 1229 als «de Galgênne».
Doch was braucht es, um sesshaft siedeln zu können? Zum einen Wasser, sprich einen Bach, einen See oder Grundwasser. Trotzdem soll der Ort einigermassen vor Hochwasser geschützt sein. Zum anderen festen und fruchtbaren Boden – nur so ist Viehhaltung und Ackerbau möglich. Daneben machen der Zugang zu Alpweiden, strategische Orte wie Brücken, Engpässe, Hügel oder die Nähe zu Handelswegen einen Ort attraktiv. Praktische Kriterien also. «Damals ging es ums Überleben », erklärte Toni Schnellmann. Es ist anzunehmen, dass die Gegend bis ins 19. Jahrhundert von landwirtschaftlichen Streusiedlungen geprägt blieb. «Die meisten Häuser vor 1800 stehen auf festem, ausgewähltem Boden», fügte Schnellmann an. Dieser schien fruchtbar gewesen zu sein. Das Zürcher Fraumünsterkloster zog gegen 1400 Pachtzinsen ein, ab 1420 rund 400 Jahre lang die Schwyzer Familie Reding, die auch den jeweiligen Pfarrer bestimmte. Dennoch war die Siedlungstätigkeit von der Masse der Bachläufe eingeschränkt, die nicht nur Hochwasser, sondern auch Schutt brachten.
Siebnen als Brückenkopf
Der Winkel zwischen Spreitenbach und Wägitaler Aa hatte offensichtlich auch strategisch Gewicht. Dies wiederum dank des Wassers: Bereits ab 1500 ist eine Mühle verzeichnet. Und Siebnen erwies sich als wichtiger Brückenkopf. Bei der Mühle gab es eine Furt und ab 1607 eine Brücke.
Ab dem 18.Jahrhundert ist eine zaghafte Dorfentwicklung feststellbar. Die Häuser rückten näher zusammen, waren aber immer noch aus Holz gebaut. Dies sollte sich nach 1834 ändern. Dann setzte eine intensive Industrialisierung ein. «Aus dem Bauerndorf wurde ein Industriedorf», so Schnellmann. In Siebnen-Galgenen war dafür der Rütner Industrielle Caspar Honegger verantwortlich. Er richtete eine automatisierte Weberei ein, die Wägitaler Aa wurde kanalisiert und damit auch die Hochwassergefahr gebannt und Siedlungsraum dazugewonnen. Weitere Textilfabriken wurden gebaut, wie beispielsweise die Spinnerei Hürlimann. Und 1896 die Möbelfabrik Rüttimann, die in ihrer Hochblüte gegen 300 Angestellte zählte.
Industrialisierung löste Boom aus
1875 eröffnete die Bahnlinie Zürich– Ziegelbrücke. Und so veränderte sich auch der Charakter von Siebnen-Galgenen. Die Holzhäuser wichen zunehmend stattlichen Steinbauten. An der Zürcherstrasse fand eine Verdichtung statt. Verbleibende Holzhäuser wurden geschindelt und gestrichen, um herrschaftlicher zu erscheinen.
Einen weiteren Meilenstein bildete der Bau des Kraftwerks Wägital. Mit dem Einzug der Elektrizität wird die Nutzung der Wasserkraft ab 1925 vom Standort unabhängig.
Abwasser trug zur Gestaltung bei
Der nächste Entwicklungssprung geschah dann in den 1970er-Jahren. Es kam zu einem riesigen Bauboom. «Leider verschwand im Zuge dessen auch wertvolle alte Bausubstanz», merkte Schnellmann an. Und auch hier spielte Wasser eine entscheidende Rolle – dies-mal in Form von Abwasser. Das generelle Kanalisationsprojekt (GKP) wurde entwickelt – da die Schweizer Gewässer stark verunreinigt waren. Gesiedelt wurde nur noch dort, wo das Wasser abfliessen konnte. Es schlug die Stunde von Zonenplan, Bauordnung, Dichte und Nutzungsart. Und später vom Inventar von geschützten Ortsbildern (ISOS).
Und heute? Die Entwicklung geht weiter, viele Projekte stehen an. «Vielleicht nutzen Sie beim nächsten Spaziergang über das Gusöteli die Gelegenheit, die Gegend einmal speziell hinsichtlich ihrer Geschichte anschauen », schloss Toni Schnellmann seinen Vortrag.
«Die meisten Häuser vor 1800 stehen auf festem, ausgewähltem Boden.»
Toni Schnellmann
Architekt