Bei Horgen mit 220 km/h über die Autobahn gebrettert
Vom Rausch der Geschwindigkeit konnte ein heute 25-Jähriger offenbar nicht genug bekommen. Neben einem Autorennen, das er sich mit einem Kollegen auf der A3 bei Horgen lieferte, werden ihm sieben Raserfahrten im Zeitraum von November 2020 bis April 2021 zur Last gelegt. Dabei bretterte er mit bis zu 220 km/h über verschiedene Schweizer Autobahnen – auch bei schlechten Witterungsverhältnissen.
Wie der nicht sehr hoch gewachsene Kosovare kürzlich vor dem Bezirksgericht Horgen sagte, wollte er damit vor seinen Kollegen angeben. Deshalb hatte er die Fahrten beziehungsweise den Tacho seines Wagens mit dem Handy gefilmt, was ihm schliesslich auch zum Verhängnis wurde. Die Beweislast sei erdrückend, sagte der Richter. Der Beschuldigte war geständig. Er gab auch zu, dass er seinen damals 13-jährigen Bruder sein Auto fah-ren liess und ihn dabei filmte. Doch nicht nur wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln musste er sich vor dem Bezirksgericht Horgen verantworten, sondern auch wegen Videos mit kinderpornografischem Inhalt auf seinem Handy. Eines dieser Videos hatte er an einen Kollegen weitergeschickt.
Tödlichen Unfall miterlebt
Der gebürtige Kosovare mit Aufenthaltsbewilligung C lebt seit der Geburt mit seiner Familie in der Schweiz. Als dramatisches Ereignis in seinem Leben schilderte er einen Raserunfall, den er zusammen mit seiner Familie 2019 miterlebte und bei dem der Fahrer ums Leben kam. Auf die Frage des Richters, warum er nur ein Jahr später darauf selbst Raserfahrten unternahm, zuckte er die Achseln und wusste keine Antwort. «Zum Zeitpunkt der Tat war das Verhältnis zu meinen Eltern nicht so gut», sagte der Beschuldigte mit klarer, fester Stimme auf Schweizerdeutsch. «Ich war viel mit meinen damaligen Kollegen unterwegs», erzählte er weiter. Weil er habe dazugehören wollen, habe er die Raserfahrten unternommen. «Ich wollte zeigen, dass wir die gleichen Interessen haben», sagte er. Heute wisse er, dass die damaligen Kollegen der falsche Umgang gewesen seien. Er habe auch keinen Kontakt mehr mit ihnen. Geläutert gab er sich auch bezüglich der Raserfahrten: Er habe einen Kurs für risikofreudige Fahrer absolviert und sich einem verkehrspsychologischen Gutachten unterzogen. «Ich dachte damals, dass ich ein guter Fahrer bin. Heute ist mir bewusst, dass Schlimmes hätte passieren können und ich sehr viel Glück hatte», sagte er.
«Grusig» findet er heute die Videos mit dem pornografischen Inhalt und «verabscheut», dass er diese auf seinem Handy hatte.
Unnötig und riskant
Die Taten seien happig und könnten nicht einfach mit jugendlichem Leichtsinn abgetan werden, warf ihm der Staatsanwalt vor. Aus reiner Lust sei der Beschuldigte viel zu schnell gefahren und habe das auch noch mit dem Handy während der Fahrt festgehalten. Die Fahrten seien unnötig und hochriskant gewesen. «Es genügt daher nicht, dass dem Beschuldigten die Tat leidtut», sagte der Staatsanwalt und forderte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren sowie eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 50 Franken und eine Busse von 2000 Franken. Zudem forderte er aufgrund der pornografischen Videos eine Landesverweisung von sechs Jahren und ein lebenslanges Verbot der Tätigkeit mit Minderjährigen.
«Mein Mandant hat richtig grossen Mist gebaut», verteidigte der Anwalt den Beschuldigten. Der 25-Jährige sei geständig und bereue seine Taten. Als einzigen «Knackpunkt» sah der Anwalt daher die Höhe der Strafe und die Landesverweisung. «Der Beschuldigte ist in der Schweiz aufgewachsen und steht mit beiden Beinen im Leben », sagte er und ergänzte: «Es wäre fatal, ihn jetzt aus seinem Umfeld zu reissen.» Der Verteidiger plädierte da-her, auf das Tätigkeitsverbot und den Landesverweis zu verzichten.
«Raserfahrten waren gravierend»
Das Gericht verurteilte ihn schliesslich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, von denen er 10 Monate absitzen muss. Zudem muss er eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 50 Franken, also 7500 Franken, bezahlen, wenn er sich in der Probezeit von vier Jahren noch einmal etwas zuschulden kommen lässt. «Bei den Raserfahrten handelt es sich nicht um Bagatellen», sag-te der Richter. Als besonders schwer gewichtete das Gericht die Raserfahrt bei Horgen und eine Fahrt bei Schnee und Eisglätte. Er habe sich und andere dabei in Lebensgefahr gebracht.
Die Pornovideos seien zwar wider-lich, aber er habe nur wenige auf seinem Handy gehabt und nur eines weitergeleitet. Ein Tätigkeitsverbot sei deswegen nicht angebracht und auch die Landesverweisung nicht. Diskutiert ha-be das Gericht dennoch über eine fakultative Landesverweisung aufgrund der Raserfahrten. «Diese waren gravierend, und Sie haben die Öffentlichkeit massiv gefährdet», sagte der Richter. Da sich der Beschuldigte aber überzeugend reuig zeigte, in der Schweiz aufgewachsen ist und sich bisher nichts zuschulden kommen liess, sah das Gericht davon ab.
Ein 25-Jähriger ist wegen Raserdelikten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nur knapp entging er einer Landesverweisung.