Wenn die Dynamik stimmt
Die Schweizer Leichtathletinnen und Leichtathleten wissen an den Hallen-Europameisterschaften in Apeldoorn zu überzeugen. Nicht nur Medaillen wurden gewonnen, sondern auch Rekorde geknackt.
Soll sie sich nun freuen oder nicht? Mujinga Kambundji verpasst an der Hallen-EM in Apeldoorn die Goldmedaille und die erfolgreiche Titelverteidigung um eine Hundertstelsekunde. Die 32-Jährige wird über 60 Meter hinter der Italienerin Zaynab Meter in 7,02 Sekunden Zweite. Die Bernerin leistete sich zunächst einen Fehlstart und kam nach der Verwarnung nicht optimal in Schwung. Den Rückstand auf Dosso konnte sie nicht mehr ganz wettmachen. Damit verpasste es die Schweizer Sprinterin knapp, für das nächste Gold der Familie Kambundji zu sorgen. Schwester Ditaji hatte am Freitag über 60 Meter Hürden gewonnen.
Dennoch darf Mujinga Kambundji mit ihrem Abschneiden zufrieden sein: Es war ihre zehnte Medaille an internationalen Titelkämpfen, womit sie die mit Abstand erfolgreichste Schweizer Leichtathletin aller Zeiten ist. «Es ist nicht nur eine Medaille mehr. Ich bin megastolz, dass ich noch vorne dabei bin. Nach den Olympischen Spielen von Paris war es doch nicht so einfach, wieder Vollgas zu geben », ordnete sie ihren Podestplatz ein. Vielleicht holt sie ihre elfte Medaille schon in zwei Wochen an der Hallen-WM in China. Dann würde sie zu Werner Günthör aufschliessen.
Die 7,02 Sekunden sind Weltklasse. «Es ist nicht Gold, aber ich bin trotzdem zufrieden», betonte die Bernerin. Angst vor der Roten Karte nach dem Fehlstart hatte sie nicht. «Ich habe gezuckt, bin aber nicht früher los. Deshalb ging ich davon, dass ich Gelb erhalten würde.»
Werro stürzt im 800-Meter-Final
Eine erste internationale Elite-Medaille schien auch für Audrey Werro über 800 Meter bereitzuliegen. Die 20-jährige Freiburgerin, die als Mitfavoritin in den Final gegangen war, stürzte in der letzten Runde. Werro lag an vierter Stelle, als sie zu Fall kam. Eine bittere Enttäuschung für die junge Läuferin, die am Ende der letzten Saison in Bellinzona mit 1:57,76 Schweizer Rekord gelaufen war. Werros Rennen stand
von Beginn an unter keinem guten Stern. Sie fand nie die von ihr gewünschte Position und lief fast ausschliesslich auf der Aussenbahn. Das kostete Kraft. «Gleichwohl hatte ich in der Schlussrunde das Gefühl, dass es zumindest für eine Medaille reicht», sagte sie. Vor der letzten Kurve kam sie dann ohne nennenswerte Einwirkung einer Gegnerin zu Fall. Rachel Pellaud, die zweite Schweizerin im Feld, wurde im Final der besten sechs 800-Meter-Läuferinnen Fünfte. Gold ging an die Polin Anna Wielgosz.
Am Samstag bereits vorgelegt
Die Schweiz zeigte aber schon am Samstag, dass mit ihren Athletinnen und Athleten zu rechnen ist. Gleich drei Medaillen strichen sie ein: Gold für Angelica Moser, Silber für Annik Kälin und Simon Ehammer.
Das Trio stand dann auch am Ende des Tages zeitgleich in der Arena, als Ehammer die Ehrenrunde lief, klatsch-te er Angelica Moser ab, die gerade 4,70 Meter übersprungen hatte. Und auch Annik Kälin sog die Atmosphäre auf. «Ich habe für Angelica mitgefiebert », sagt sie. «Wir haben im Vorfeld erhofft, dass es ein Schweizer Abend wird», ergänzt Angelica Moser. «Wir haben darüber gesprochen, zumal ich mit Annik das Zimmer teile.»
Eine gute Dynamik im Team
«Wir sind alle noch jung, aber schon so lange zusammen unterwegs. Und jeder und jede steigert sich immer weiter», schwärmt derweil Annik Kälin von der Dynamik im Team. «Das motiviert, das zieht einen mit.» Und die Entwicklung gehe immer weiter.
Die drei Medaillen waren derweil auch je mit einem Rekord verknüpft. Nach dem Europarekord von Ditaji Kambundji am Freitag egalisierte Angelica Moser mit 4,80 Meter die nationale Bestmarke im Stabhochsprung, und Ehammer mit 6506 Zählern im Siebenkampf sowie Annik Kälin mit 6,90 Metern im Weitsprung gelangen ebenfalls Einträge in die Rekordbücher. «Ich habe sowohl Silber gewonnen als auch Gold verloren», bilanziert Ehammer. «Mit der Punktzahl bin ich zufrieden, ich habe den vor der Hallen-EM gültigen EM-Rekord gebrochen. Aber ich hätte hier Gold holen können. Im 60-Meter-Lauf und im Hochsprung habe ich es vergeben.» Angelica Moser schätzt die 4,80 Meter sehr hoch ein, zumal sie wegen Problemen mit dem Fuss im Training Anpassungen vornehmen musste. «Nach einer tricky Hallensaison ist die Leis-tung sehr viel wert.» Die Zürcherin hatte vergangenen Sommer schon 4,88 Meter überquert und versuchte sich deshalb auf 4,89 Meter. «Die Emotionen waren aber zu stark, um noch sehr gute Sprünge zu zeigen.» Annik Kälin eröffnete den Wettkampf mit einem Paukenschlag. Gleich 6,90 Meter. «Ich war megaperplex », schildert sie den Moment, als die Zahl aufleuchtete. «Aber um die Medaille gezittert habe ich bis zum Schluss. Man weiss ja nie», erzählt sie.
Ihre Form will sie nun in zwei Wochen an der Hallen-WM in China für einen Schweizer Rekord im Fünfkampf nutzen. Ehammer geht den umgekehrten Weg und reist als Weitspringer zu den zweiten Hallen-Titelkämpfen dieses Jahres – wegen der Coronapandemie wird eine Indoor-WM nachgeholt. Auch Angelica Moser wird in den Flieger Richtung China steigen.