«Kampfsport ist Fleissarbeit»
Roland Zwingli unterrichtet seit rund zehn Jahren sehr erfolgreich als Sanda-Kampfsportlehrer. Teil 9 unserer Serie über Trainer aus der Region.
Eigentlich war er Fussballer.
Goalie, um genau zu sein. Der FC Lachen-Altendorf war seine sportliche Heimat. Früh angefangen, immer dabeigeblieben. Dann kam eine Knieverletzung, da war er 16 Jahre alt. Der Arzt meinte acht bis zehn Wochen kein Sport. Bruder Roger meinte: «Ich kenne da einen, komm mal mit.» So lernte Roland Zwingli seinen Mentor Zeno Streich kennen. «Zeno hat mich dann mit Akupunktur und chinesischer Medizin behandelt. Nach drei Wochen stand ich wieder im Tor.» Dort blieb Goalie Zwingli dann noch ein paar Jahre, schaffte es bis in die 1. Mannschaft. Ab und an ging er auch mal mit Bruder Roger ins Kampfsport-Training, aber Fussball stand immer noch an Nummer eins. «Irgendwann hatte ich dann auf Fussball keine Lust mehr, da war ich etwa 21 Jahre alt», erzählt Kampfsportlehrer Zwingli. Bis zum Kampfsportlehrer war es ein langer, harter Weg.
Ohne Fleiss kein Preis
Ab 2004 wurde dann fleissig trainiert. Richtig fleissig. Zeno Streich erkannte schnell das Potenzial und den Willen von Ex-Goalie Zwingli. Trainiert wurde sechsmal in der Woche. Vier bis fünf Einheiten waren Einzeltraining bei Zeno Streich. «Ich habe sehr schnell gemerkt, das ist mein Sport. Ich wollte kämpfen», sagt Zwingli rückblickend. «Und mein grosses Glück war, dass Zeno seine Schulen in Cham, Wohlen und Luzern aufgegeben hat und nach Lachen gekommen ist.» Also wurde trainiert. Mehrere Jahre, fast jeden Tag. Am Anfang noch Leichtkontakt, dann Sanda im Vollkontakt. Warum? «Ich habe die Herausforderung gesucht. Und für mich war klar, wenn ich den Sport mache, dann will ich ihn auch richtig machen», verdeutlicht der 42-jährige Märchler. Die Kampfkarriere ging steil nach oben: Schweizer Meister im Sanda Leichtkontakt 2005, Schweizer Meister im Sanda Vollkontakt 2006. Nicht schlecht, der Goalie.
Das Highlight – King of Sanda
Bereits 2006 zählte der in Lachen geborene Tuggner zur Schweizer Nationalmannschaft. Zwingli lernte schnell die grosse Sanda-Welt kennen: EM 2006, WM-Dritter 2007 in Peking und Welt-cup in Harbin. «Auf dieser Stufe gibt es nur noch Weltcups in China oder den King of Sanda», erklärt Zwingli. Nie Angst gehabt? «Nein, nie.» Wirklich nie? Zwingli lacht und sagt: «Doch einmal beim King of Sanda. Als ich gesehen habe, wie sich der chinesische Kämpfer aufwärmt. Da habe ich Angst bekommen, habe gedacht, das ist ein anderes Kaliber, als ich bisher im Ring hatte», gibt Zwingli offen zu. «Das sind Profis.» Das Abenteuer King of Sanda in Chongqing. Die Millionenmetropole Chongqing liegt im Südwesten Chinas, das Gebiet ist so gross wie Österreich und es leben dort 32 Millionen Menschen. Der King-of-Sanda-Modus: Die weltweit 16 besten Sanda-Kämpfer treten in vier Gewichtsklassen gegeneinander an. Die Gruppensieger kämpfen Gewichtsklassen-übergreifend um den Titel King of Sanda. «In der ganzen Stadt hingen Plakate der Sanda-Kämpfer. Wir sind mit Limousinen vom Hotel abgeholt worden. Die Halle war rappelvoll, das staatliche chinesische Fernsehen hat jeden Abend live von den Kämpfen berichtet. Du hast dich gefühlt wie ein Superstar», erinnert sich Zwingli gerne zurück. Immerhin: Im Reich der Mitte belegte Zwingli Platz 3. Bis zur WM 2009 in Toronto war der Märchler Fighter aktiv, dann ist das Leben dazwischen gekommen. Freundin, Frau, Familie. «Sanda ist ein Risikosport, wir wollten Kinder, da habe ich mich dann mehr auf Training geben konzentriert.»
Vom Kämpfer zum Trainer
Seit 2009 gibt Roland Zwingli Kampftraining. Anfangs nur einige Stunden pro Woche, seit 2014 hauptberuflich. Sein Mentor Zeno Streich hat ihn vom Ring auf die Trainingsmatte begleitet und ihm dann auch eine Festanstellung angeboten. Heute leiten sie gemeinsam die Fight Academy March in der Ziegelhüttenstrasse in Lachen. Gut 20 Stunden unterrichtet der Tuggner in der Woche. Überwiegend Junioren, «sicherlich 80 Prozent». Ausserdem ist Mustang-Fan Zwingli seit 2018 auch für den Junioren-Nationalkader zuständig. Jeden Monat treffen sich die Sanda-Kämpferinnen und -Kämpfer des Kaders. Die besten 14 Schweizer Sanda-Fighter pilgern dann nach Lachen. Ausser zweimal im Jahr, dann gibt es ein grosses Sanda-Treffen in Oberentfelden. «Dann treffen sich der A-Kader, die Junioren und das Betreuerteam zur Leistungsdiagnostik im Aargau», so Zwingli.
Der Kampfsportlehrer
Wann ist die Arbeit erfolgreich? «Rein sportlich, wenn Ende des Jahres die Titel bei der Schweizer Meisterschaft vergeben werden.» Aber das sei natürlich nur der sportliche Aspekt, der viel zu kurz greife, da die Förderung der Kinder viel grösseren Raum einnehme. «Selbstvertrauen stärken, Körpergefühl vermitteln, auch Disziplin und ganz viel Freude am Sport sind unsere Hauptaufgaben», so Zwingli. Was ist wichtiger, Talent oder Ehrgeiz? Mit Talent habe man den schnelleren Erfolg, mit Ehrgeiz den langfristigen. «Als Kampfsportler muss ich ehrgeizig sein, nur dann kann ich oben anklopfen. Kampfsport ist viel Fleissarbeit.» Wann macht das Training Spass? Eigentlich immer, lautet die spontane Antwort. Es gäbe Highlights und die tägliche Arbeit, die aber auch schön sei. «Ich habe vor einigen Jahren einen Schüler nach Indonesien zur Junioren-WM begleitet. Ich sass dann dort an der Plattform, der Schüler hat gekämpft und ich war einfach nur stolz. Stolz darauf, ihn als kleinen Jungen kennengelernt zu haben und ihn bis zur U18WM begleiten zu dürfen.» Was nervt manchmal? Ebenso spontan: Eltern. «Eltern, die ihre Kinder nicht zur Selbstständigkeit erziehen, können im Trainingsalltag sehr nervig sein.»
Das Sanda-Training
Lust bekommen auf ein Sanda-Training? Auch Personen mit guter Kondition kommen beim Kampfsporttraining schnell an ihre körperlichen Grenzen. Das Training fördert das Zusammenspiel von Kraft, Geschwindigkeit, Explosivität, Ausdauer und Koordination und macht zum Fitness-All-rounder. Der Aufbau der einstündigen Einheiten sei immer gleich: gutes Einwärmen mit vielen unterschiedlichen, altersgerechten Übungen, im Anschluss Techniktraining und als Abschluss Partnerübungen. «Damit das Sanda-Training nicht langweilig wird, bekommen wir immer monatlich oder sogar wöchentlich wechselnde Aufgaben», erklärt Kampfsportlehrer Zwingli abschliessend.
«Ich habe die Herausforderung gesucht.» «Du hast dich gefühlt wie ein Superstar.»