Das grösste Bodenverbesserungswerk der Schweiz – mitten im Linthgebiet
Die Landschaft des Linthgebiets veränderte sich über die Jahrhunderte stetig. Wie genau, erfahren Sie in unserer dreiteiligen Serie. In Teil 2 geht es um die Linth-Korrektion sowie die Linthebene-Mellioration und wie sie die Landschaft für immer veränderten.
Hochwasser und die ständige Überflutung der oberen Linthebene und der Gestade am Walensee bedrohten im späten 18.Jahrhundert Leben und Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Der ungeregelte Lauf der Linth erschwerte aber auch die Nutzung des Flusses als Schifffahrtsweg nach Zürich und beeinträchtigte den Handel über die Alpenpässe. Schiffer und Kaufleute drängten als Erste auf eine Korrektion des Flusses.
1807 erfolgte der dramatische «Aufruf an die Schweizerische Nation zur Rettung der durch Versumpfungen ins Elend gestürzten Bewohner» des Linthgebietes. In der Folge wurde unter der Leitung von Hans Conrad Escher die Linthkorrektion durchgeführt – als ers-tes Nationalwerk der Schweiz. Damit konnten die Überschwemmungen, die zuvor die Gegend immer wieder heimgesucht hatten, verhindert werden.
Plage der Überschwemmungen
Da Hans Conrad Escher selber ein Laie im Wasserbau war, wurde der badische Experte Johann Gottfried Tulla mit der technischen Erarbeitung des Projekts betraut. Tullas Gehilfen setzten zum Beispiel Faschinen (Rutenbündel) ein, mit denen der Fluss verengt wurde und durch die höhere Fliessgeschwindigkeit sein Bett selber vertiefte. Überhaupt war die Linthkorrektion das ers-te wegweisende Schweizer Grossprojekt.
Durch die Linthkorrektion Anfang des 19.Jahrhunderts war die Region zwar von der Plage der Überschwemmungen befreit. Doch die Versumpfung der Rietländer blieb weitgehend bestehen. Bauern betrieben Streuwirtschaft, lieferten Stroh etwa ins Zürcher Oberland. Diese Bewirtschaftungsweise hielt bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges an und war auch der Grund der Skepsis, die man anfänglich dem Meliorationsprojekt entgegenbrachte.
Wirtschaftliche Vorteile erhoffte man durch Ölgewinnung in der Region. Die Suche nach «dem schwarzen Blut der Erde» begann auf obskure Weise: unter Zuhilfenahme von Wünschelruten wurde eine Kreuzung von zwei Erdöladern im Tuggner Riet vermutet. Schliesslich wurde für über eine Million Franken 1640 Meter tief gebohrt. Nach drei Jahren vergeblichen Bemühens wurden im Juni 1928 die Bohrversuche eingestellt. Schon vor Bohrbeginn, der im Juni 1925 erfolgte, warnte Geologie-Professor Albert Heim (18491937) vor der Erdölausbeutung: «Man wird keines finden!»
Linthebene-Melioration
1921 lag ein erstes Projekt vor, das bei Gemeinden und Grundbesitzern auf Skepsis stiess. Das Vorhaben enthielt jedoch mit der Gewässerkorrektion, der Entwässerung, der Güterzusammenlegung und der Besiedelung schon fast alle Massnahmen, die später in den Vierzigerjahren mit dem «Plan Wahlen», auch als «Anbauschlacht» bezeichnet, umgesetzt wurden. Die Linthebene-Melioration galt als «das grösste Bodenverbesserungswerk der Schweiz». 1939, unmittelbar vor Kriegsbeginn, erliess die Bundesversammlung das «Bundesgesetz über die Melioration der Linthebene». Die Melioration (von lat. melior = besser) dient der Bodenverbesserung.
Die Linthebene-Melioration – heute eine öffentlich-rechtliche Anstalt der Kantone Schwyz und St. Gallen – sorgt mit einem weitläufigen System von Kanälen, Pumpwerken und Strassen dafür, dass die Ebene zwischen Uznach, Wangen und Ziegelbrücke auf einer Fläche von 4272 Hektaren dauerhaft entwässert bleibt. Zählt man zu den Schwyzer und St. Galler Meliorationsflächen den Glarner Anteil hinzu, ergibt sich ein Meliorationsgebiet von schätzungsweise 6000 Hektaren.
Im «Schlussbericht der Melioration der Linthebene» (1965) schreibt die Schweizerische Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft (SVIL): «Noch selten hat sich durch die Tätigkeit des Menschen eine Kulturlandschaft so rasch gewandelt wie in der Linthebene.»
* Dr. Stefan Paradowski ist polnisch-schweizerischer Doppelbürger, Kunsthistoriker, in Benken aufgewachsen und in Lachen wohnhaft. Er führt die Agentur für Kunst und Regionalgeschichte.
«1807 erfolgte der dramatische Aufruf an die Schweizer Nation zur Rettung der durch Versumpfung ins Elend gestürzten Bewohner des Linthgebiets.» «Noch selten hat sich durch die Tätigkeit des Menschen eine Kulturlandschaft so rasch gewandelt wie in der Lintheben.»