Aufwühlende Tage für Fähndrich und Grond
Nadine Fähndrich und Valerio Grond verleihen der 55. Edition des Engadin Skimarathons frischen Medaillenglanz aus Trondheim. Wenig fehlt nach 42 Kilometern in S-chanf zum totalen Happy End.
In sich gekehrt und fast ein wenig verloren stand er da an diesem Sonntag im Zielraum des Engadin Skimarathon in S-chanf. Und ja, der Eindruck täuschte nicht. «Es waren aufwühlende, unglaubliche Tage», sinnierte Valerio Grond, der soeben bei seiner Premiere beim Engadin Skimarathon auf Rang 3 gelaufen war. Am Donnerstag hat-te Grond zusammen mit dem ebenfalls ins Engadin dislozierten Cyril Fähndrich sowie Jason Rüesch und Jonas Baumann in Trondheim ein Stück Schweizer Langlaufgeschichte geschrieben. Die Silbermedaille war erst der zweite Effort dieser Art einer Schweizer Männerstaffel nach der legendären Olympia-Bronzestaffel 1972 in Sapporo. Es ist dann definitiv viel eingestürzt auf Grond, der als dominanter Schlussläufer in Norwegen die Ernte eingelaufen hatte.
Die Strecke inspiziert
Zeit zum Verarbeiten des Erfolges? War nicht wirklich vorhanden. Tags darauf ging es heim nach Davos. Und am Samstag führte die Reise weiter ins Engadin. «Es war extrem schwierig, das alles zu bewältigen mit der Reiserei und dem Material», sagt der 24-Jährige, der mittlerweile mehr als ein Sprint-Spezialist ist. Aber er sei definitiv auch belohnt worden für die Strapazen. An einer Autogrammstunde am Samstag im Marathon-Village in Pontresina stellte er fest, was diese Silbermedaille im norwegischen Tollhaus in der Heimat ausgelöst hat. «Diese Begeisterung, vor allem von den Kindern, hat mich sehr gefreut», sagte Grond.
Hat er sich kurzzeitig eine Anpassung des strapaziösen Reiseplanes überlegt? Ja, dieses Thema sei aufs Tapet gekommen. Die Pläne wurden schnell verworfen, um wie vorgesehen erstmals im Engadin zu starten. Dem Zufall überliess er wenig. Am Samstag inspizierte Grond auf den Ski die finalen Streckenpassagen in S-chanf. Tags darauf lief er, wie er in der Staffel in Trondheim aufgetreten war: dominant und mit viel Präsenz in der Spitzengruppe. «Da ich die Strecke im Detail nicht kannte, war es einfacher, gewisse Schlüsselstelln nicht im Pulk zu laufen», erläuterte Grond.
Norweger zu stark
Die aktive Taktik ging auf – bis zum finalen Anstieg, als die beiden Norweger Havard Moseby und Sverre Dahlen Aspenes über mehr Reserven verfügten. Moseby, Fünfter der diesjährigen Tour de Ski und doch chancenlos im Kampf um die begehrten WM-Startplätze in Trondheim, realisierte einen Favoritensieg. Er schaffte ihn ohne jegliche Streckenkenntnisse. «Es war ein taktisches Rennen. Ich lief wie geplant immer in den ersten zehn Positionen und bin froh über diesen Prestigesieg», sagte der 25-Jährige.
Weniger erwartbar war der Ehrenplatz des 27-jährigen Aspenes. Der ist eigentlich Biathlet und bloss im zweitklassigen IBU Cup unterwegs. Aspenes lieferte einmal mehr den Nachweis des unerschöpflichen Talentreservoirs aus dem Mutterland des Langlaufs. Ein zweiter Schweizer neben Grond schaffte es in die Top Ten: Noe Näff belegte Rang 10. Der 21-jährige WM-Debütant im Sprint aus Sent dokumentierte in heimischen Gefilden seine grossen Fortschritte in diesem Winter.
Werro fordert Fähndrich
Viel Drama bot der Wettkampf der Frauen, der inmitten des Männerfeldes für alle Beteiligten schwierig zu überblicken ist. Nadine Fähndrich, auch sie war in Windeseile aus Trondheim angereist, musste sich ihren zweiten Erfolg in S-chanf nach ihrem erfolgreichen Debüt 2018 hart erarbeiten. Die doppelte WM-Medaillengewinnerin hatte sich kurzfristig rund um den Weltcup im Februar in Falun auf Initiative des ehemaligen Athleten und aktuellen Swiss-Ski-Trainers Toni Livers mit einem Start im Engadin beschäftigt. Der am selben Tag angesetzte «50er» an der WM stand ohnehin nie in ihrem Wettkampfkalender. Zu ho-he Strapazen, zu tiefe Chancen auf ein Erfolgserlebnis.
Doch ein Stockbruch manövrierte Favoritin Fähndrich früh in die Defensive. Giuliana Werro, Siegerin 2023 und zweitplatzierte des Vorjahres, versuchte dies zu ihren Gunsten zu nutzen. Die 25-jährige Lokalmatadorin aus Zernez ist in heimischen Gefilden immer be-sonders kompetitiv. 40 Sekunden lag sie zwischenzeitlich vor der favorisierten Innerschweizerin. Und doch reichte es am Ende nicht für Werro, die sagte: «Die Gruppe harmonierte nicht perfekt.» Um vier Sekunden wurde Werro schliesslich geschlagen. Ihrer guten Laune tat dies keinen Abbruch. «Der Engadin Skimarathon ist für mich als Einheimische das schönste Rennen des Jahres. Nach gesundheitlichen Rückschlägen bin ich sehr zufrieden mit diesem Ergebnis», sagte Werro.
Zufrieden waren am Ende auch das Gros der übrigen 12 398 gemeldeten Läuferinnen und Läufer sowie die Organisatoren. Allesamt durften sie sich nach schwierigen Ausgaben in den vergangenen Jahren über einen Lauf bei Sonnenschein und besten Bedingungen freuen. Nadine Fähndrich sag-te es so: «Ich laufe besonders gerne hier inmitten dieses unglaublich grossen Feldes. Es ist ein Fest-tag des Langlaufs.»
«Ich laufe sehr gerne hier. Es ist ein Festtag des Langlaufs.»
Nadine Fähndrich
Schweizer Langläuferin