Riechsalz: Das steckt hinter dem Wachmacher
Ein Zug rechts. Ein Zug links. HCD-Verteidiger Sven Jung sagt: «Ich suche diesen Schock.» Sein Teamkollege Nico Gross sagt: «Es hilft mir, um wach zu sein. Vor allem im Kopf.» Riechsalz ist im Eishockey weit verbreitet. Auch am Spengler Cup. Jung und Gross sind nicht die Einzigen beim HCD, die vor den Spielen da-ran riechen. Auch Matej Stransky oder Andres Ambühl schwören auf den Kick. In allen Teams fin-den sich Spieler, die auf den Effekt von Riechsalz setzen.
Es handelt sich dabei um aromatisierten Ammoniak, der entweder in Form von kleinen Dosen oder Stäbchen erhältlich ist. «Es schmeckt sehr streng», sagt Gross, «schwierig zu beschreiben.» Vor jedem Spiel und am Ende der Drittelspausen schnuppert der 24-Jährige am kleinen Fläschchen, das der Physiotherapeut des HCD auf der Bank herumreicht. «Ich fühle mich danach bereiter», so Gross. Bloss: Nutzt der Kick durch die Nase tatsächlich etwas?
Panikreaktion des Körpers
Beat Villiger gehört zu den renommiertesten Sportärzten der Südostschweiz, er war einst Teamarzt beim HCD und über 25 Jahre Mitglied des medizinischen Komitees beim Weltverband IIHF. Er sagt, das Riechsalz führe zu einem kurzfristigen «psychologischen Weckkick ». Allerdings ist dieser von kurzer Dauer. «Untersuchungen zeigen, dass das Hoch bloss 30 Sekunden bis zu einer Minute anhält », so Villiger.
Die Ammoniakgerüche würden zu einer akuten Reizung der Nasenschleimhäute führen. Zudem stiegen die Hirndurchblutung und die Pulsfrequenz leicht an – eine kurzfristige Panikreaktion des Körpers. «Eine Leistungssteigerung ist aber nicht nachweisbar», sagt Villiger. Und mit einem Augenzwinkern: «Der Effekt dürfte vergleichbar mit einem ‹Zusammenschiss› durch den Coach sein.» Viel wichtiger ist für die Spieler die Routine. «Das Riechsalz hilft mir, in den Tunnel zu kommen», sagt Gross, der beim EV Zug mit dem Einatmen von Riechsalz begann. Jung lernte das Mittel während seiner Zeit in den Juniorenligen Nordamerikas kennen. Der Verteidiger nutzt in Davos spezielle Stäbchen, die sich brechen las-sen und danach ihren Geruch entwickeln.
Seltene Nebenwirkungen
Das Riechsalz ist nicht nur im Eishockey, sondern vor allem in Kraftsportarten verbreitet, etwa im Bodybuilding oder beim Gewichtheben. Im Boxen hingegen wurde die Konsumation von Riechsalz verboten, weil es die Symptome von ernsthaften Verletzungen wie Gehirnerschütterungen überdecken kann. Eine Schädigung nach wiederholter kurzer Applikation sei hingegen nicht bekannt, sagt Villiger. Gefährlich kann es dann werden, wenn die Dosis zu hoch ist. Es gibt Mediziner, die vor einer Schädigung der Schleimhäute oder Nasenbluten warnen. Auch deshalb ist der Konsum beim HCD im Nachwuchsbereich verboten.
Übrigens: Öfters als Riechsalz kommt beim HCD vor den Spielen Koffein zum Zug. In Form von Kaffee, aber auch mit speziellen Koffeinshots. Das Ziel bleibt das gleiche: mit einem zusätzlichen Kick ins Spiel.
Ein Kick durch die Nase. Auch am Spengler Cup setzen diverse Spieler auf Riechsalz. Zwei Spieler sprechen über ihre Erfahrungen. Und ein Sportmediziner schätzt Wirkung und Gefahren ein.
«Das Riechsalz hilft mir, in den Tunnel zu kommen.»
Nico Gross
Verteidiger HC Davos