Tag nach Todesfahrt: Scholz und Faeser kommen nach Magdeburg
Nach der Todesfahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt wollen Kanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) heute in die Landeshauptstadt nach Sachsen-Anhalt kommen.
Am Abend soll es im Dom eine Gedenkfeier geben. Einen Tag nach der Tat mit zwei Toten und Dutzenden Verletzten sind weiterhin viele Fragen offen – allen voran nach den Motiven des festgenommenen Tatverdächtigen für den mutmasslichen Anschlag. «Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht», sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage.
Momentan gehen die Ermittlungsbehörden laut Polizei von einem Einzeltäter aus. Der 50-Jährige aus Saudi-Arabien war am Tatort von Einsatzkräften gestellt und festgenommen worden. Der Verdächtige sei Arzt, lebe und arbeite in Bernburg, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Nach bisherigen Erkenntnissen sei er den Behörden nicht als Islamist bekannt. Der Täter raste laut Haseloff mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt. Nach Angaben der «Bild» unter Berufung auf die Polizei erstreckte sich die Fahrt auf dem Gelände über 400 Meter.
Haseloff: Kanzler wird Lage bewerten
Haseloff sagte am Abend: «Der Kanzler wird morgen vorbeischauen und hier mit uns die Lage bewerten und auch sicherlich mit uns gemeinsam nicht nur trauern, sondern auch entsprechend Massnahmen besprechen, die notwendig sind.» Bundesinnenministerin Faeser teilte mit, sie werde heute mit Scholz nach Magdeburg kommen, «um unser tiefes Mitgefühl auszudrücken und den Einsatzkräften zu danken.» Faeser hatte zuletzt wiederholt zu Wachsamkeit bei Weihnachtsmarktbesuchen aufgerufen. Konkrete Gefährdungshinweise gebe es aktuell nicht, hatte sie Ende November gesagt.
Oberbürgermeisterin unter Tränen
Bei der Tat – fast auf den Tag genau acht Jahre nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche – kamen ein Erwachsener und ein Kleinkind ums Leben. Nach Angaben der Polizei gab es über 60 Verletzte, darunter mehrere Schwerstverletzte. Haseloff sagte, weitere Tote könnten nicht ausgeschlossen werden. «Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland», sagte der Ministerpräsident.
Am Abend soll es eine Gedenkfeier für die Opfer im Magdeburger Dom geben. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, sagte Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. «Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen», sagte sie sichtlich fassungslos. «Wir werden das alles umfassend aufarbeiten.» Stadtsprecher Michael Reif sagte, es sei «ein Anschlag» gewesen.
Scholz: Gedanken sind bei den Opfern
Bundeskanzler Scholz schrieb auf der Plattform X: «Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger. Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.» Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zeigte sich entsetzt und sprach von einem feigen Anschlag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den Rettungskräften und schrieb: «Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest wurde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen.»
Nato-Generalsekretär Mark Rutte kontaktierte nach eigenen Worten Bundeskanzler Scholz und drückte ihm sein Mitgefühl aus. «Meine Gedanken sind bei den Opfern und deren Familien», schrieb Rutte auf der Plattform X. «Die Nato steht an der Seite Deutschlands.» Die Vereinten Nationen bekundeten ebenfalls ihr Beileid. Man sei schockiert, sagte Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte die Attacke. «Meine Gedanken sind heute bei den Opfern der brutalen und feigen Tat in Magdeburg», schrieb sie auf der Plattform X.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, Frankreich teile den Schmerz des deutschen Volks. Er sei zutiefst erschüttert über «den Horror», der den Weihnachtsmarkt heimgesucht habe. Die USA versicherten ihre Solidarität. Die USA seien bereit, Unterstützung zu leisten, hiess es vom Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance zeigte sich bei X ebenfalls betroffen: «Was für eine entsetzliche Attacke so kurz vor Weihnachten.»
Auch Saudi-Arabien verurteilte die tödliche Attacke. «Das Königreich bringt seine Solidarität mit dem deutschen Volk und den Familien der Opfer zum Ausdruck», schrieb das Aussenministerium in einer Mitteilung auf X. In der Stellungnahme erwähnte das Land den Verdächtigen, der aus Saudi-Arabien stammt, nicht.
Video soll Festnahme des Verdächtigen zeigen
Eine dpa-Reporterin berichtete kurz nach der Tat, es wimmele auf dem Weihnachtsmarkt von Rettungswagen und Sanitätern. An einer grossen Weihnachtspyramide wurden demnach Verletzte versorgt. Mehrere verletzte Menschen wurden weggetragen.
Ein Handyvideo soll die Festnahme des Verdächtigen zeigen. In dem Clip ist zu sehen, wie ein Polizist seine Waffe auf den Verdächtigen richtet und ihm zuruft, sich hinzulegen: «Die Hände auf den Rücken!» und «Bleib liegen!» Der Mann legt sich neben einem schwarzen – sichtbar beschädigten – Auto auf den Boden und befolgt die Anweisungen. Schliesslich kommt Verstärkung, mehrere Polizisten springen aus dem Einsatzwagen und umkreisen den am Boden liegenden Verdächtigen. Der Polizist weist seine Kollegen an, «nicht so nah ran» zu gehen.
Rund acht Jahre nach Berliner Weihnachtsmarktanschlag
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.
Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten.