Scholz verteidigt Ende deutscher «Ampel»-Koalition
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag die Entlassung seines Finanzministers Christian Lindner (FDP) und das damit verbundene Aus der Ampel-Koalition verteidigt. «Diese Entscheidung war richtig, und sie war unvermeidlich», sagte er in seiner Regierungserklärung.
Er begrüsste, dass es mit dem 23. Februar nun eine Einigung auf einen Termin für die Neuwahl gebe. Er sei «sehr dankbar dafür». Die Christdemokraten rief er dazu auf, nun vor der Auflösung des Bundestags gemeinsam noch wichtige Gesetze miteinander zu beschliessen. «Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig handeln. Es wäre gut für unser Land», sagte er.
Scholz nennt Liste von noch möglichen Beschlüssen
Konkret nannte Scholz Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer, die zum 1. Januar 2025 gelten sollten. Nötig sei zudem, schnell möglichst viel von der vorgesehenen Regierungsinitiative für mehr Wachstum zu beschliessen. Auch eine Kindergelderhöhung solle Anfang 2025 kommen. Der Kanzler nannte ausserdem Grundgesetzänderungen, um das Bundesverfassungsgesetz stärker gegen mögliche politische Einflussnahmen zu wappnen.
Nein zu Taurus bekräftigt
Erneut verteidigte Scholz seine Haltung zum Ukraine-Konflikt und bekräftigte, dass die Ukraine keine Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern für den Abwehrkampf gegen die Ukraine bekommen werde. «Ich werde meine Haltung nicht ändern, was die Lieferung eines Marschflugkörpers aus Deutschland betrifft.»
Söder erstmals im Bundestag – Habeck verpasst Debatte
In der für zwei Stunden geplanten Debatte über die Regierungserklärung «zur aktuellen Lage» soll zum ersten Mal auch CSU-Chef Markus Söder als bayerischer Ministerpräsident und damit Mitglied des Bundesrats sprechen. Für die AfD redet die Parteichefin und designierte Kanzlerkandidatin Alice Weidel.
Nur die Grünen können ihren wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten nicht in die Debatte schicken. Wegen einer Panne am Regierungsflieger in Portugal verpasste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Regierungserklärung. An seiner Stelle soll nun Aussenministerin Annalena Baerbock sprechen, hiess es von der Grünen-Fraktion. Auch auf der Rednerliste: Der von Scholz gefeuerte Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Schlusspunkt unter schmutzige «Ampel»-Scheidung
Die Debatte setzt den Schlusspunkt unter die schmutzige Scheidung der «Ampel»-Koalition (SPD, FDP, Grüne) nach knapp drei Jahren Zweckehe. Nach einem erbitterten Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik hatte Scholz vor einer Woche seinen Finanzminister gefeuert und das Ende des Dreier-Bündnisses herbeigeführt. Er führt jetzt eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen und will am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage zur Abstimmung stellen. Erhält er wie erwartet keine Mehrheit, findet die Neuwahl am 23. Februar statt. Bis dann bleiben 102 Tage für den Wahlkampf. Die Regierungserklärung war quasi der Auftakt dazu.
Ausgangslage für den Wahlkampf: CDU/CSU klar vorne
Es sieht nach einer klaren Sache für die Union aus. Sie erreicht seit einem Jahr in den Umfragen stabil 30 Prozent und mehr. Die SPD als stärkste Regierungspartei liegt derzeit mit 16 bis 18 Prozentpunkte dahinter auf Platz 3 – noch hinter der rechtspopulistischen AfD.
Aber Vorsicht: Vor der Wahl 2021 war das nicht anders. Noch zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin lagen Scholz und die SPD bis zu 16 Prozentpunkte hinter der CDU/CSU. Die SPD gewann am 26. September schliesslich mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde «Ampel»-Kanzler.
Mit der Erzählung des Triumphs von 2021 macht sich die SPD jetzt Mut – und hofft auf Fehler von Merz. Und die anderen? Die Grünen können nach aktuellem Stand mit 11 bis 12 Prozent rechnen. Die FDP kratzt in den Umfragen an der 5-Prozent-Hürde, die Linke liegt klar darunter. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte mit Werten von aktuell 5 bis 9 Prozent den Einzug in den Bundestag schaffen und die AfD ist mit 15 bis 19,5 Prozent die Nummer 2.
Erstmals vier Kanzlerkandidaten
Erstmals wird es in einem Wahlkampf vier Kanzlerkandidaten geben. CDU und CSU haben sich mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) als erste entschieden – und das überraschend geräuschlos. Die Grünen wollen am Wochenende auf ihrem Parteitag Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten küren. Und der AfD-Vorstand will am 7. Dezember Parteichefin Alice Weidel ins Rennen schicken.
Nur beim amtierenden Kanzler Scholz ist weiterhin nicht klar, wann er sich offiziell Kanzlerkandidat nennen darf. Die Parteispitze beteuert zwar, dass er es zweifellos werde. Der Vorstand verzichtete aber in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf, ihn formell zu nominieren – und liess damit die innerparteiliche Debatte weiterlaufen, ob er der richtige Kandidat ist.
Pistorius als Ersatzkandidat für Scholz?
Es gäbe da eine aussichtsreiche Alternative: Verteidigungsminister Boris Pistorius ist seit Monaten in den Charts der beliebtesten deutschen Politiker unangefochten die Nummer eins. So mancher in der Partei denkt, dass es nur noch mit ihm eine Chance gibt, den Rückstand zur CDU/CSU aufzuholen. Bisher trauen sich das aber nur einzelne aus der dritten und vierten Reihe zu sagen.
Aber selbst der sehr loyale Fraktionschef Rolf Mützenich registriert die Unruhe – und spricht darüber. «Ja, Grummeln ist da. Natürlich gibt es auch diese Stimmen», sagte Mützenich am Dienstagabend im ZDF-«heute journal» zu den Zweifeln an Scholz. Am Ende wisse die Partei aber, dass sie nur gemeinsam gewinnen könne, fügte er hinzu. Auf die Nachfrage, ob dies mit Olaf Scholz passieren werde, antwortete Mützenich: «Da bin ich fest von überzeugt.»