«Polifon Pervers» stichelt lustvoll gegen den Kulturbetrieb
Autor und Theatermann Béla Rothenbühler erzählt in «Polifon Pervers» ein schelmisches Theatermärchen. Zwei junge Frauen wirbeln das kulturelle Leben in einer Kleinstadt durcheinander. Der unterhaltsame Dialektroman ist für den Schweizer Buchpreis nominiert.
Bei Weisswein und guter Laune gründen die beiden Freundinnen Sabine und Schanti einen Verein, mit dem sie Theaterprojekte realisieren wollen. «Ergend öppis mösme jo mache», sagen sie sich und haben damit auf Anhieb Erfolg. Weil sie Theater konsequent als Unterhaltung begreifen und weil der Vereinsname Polifon Pervers interessant klingt, lässt sich auch die Kulturförderung von ihren Ideen überzeugen. Die Fördergelder purzeln herein und schon bald können sich die beiden sogar Löhne ausbezahlen und sich einen Dramaturgen leisten.
Hoch gepokert
Der Luzerner Autor und Dramaturg Béla Rothenbühler versteht viel von Theater. Er weiss, worauf es ankommt: auf Stück, Regie und Schauspiel, aber auch auf Fundraising, Medienarbeit und Catering. Von all dem erzählt sein zweiter Dialekt-Roman, der tiefe Einblicke ins Kulturleben gewährt. Dabei idealisiert er mit viel Witz und schreibt die Theaterarbeit schön.
Schanti und Sabine pokern hoch. Während die eine vollmundige Versprechungen macht, ringt die andere noch eine Weile mit leisen Skrupeln. Allmählich aber kommt auch Sabine auf den Geschmack. Sie entdeckt die soziale Absicherung von Unterhaltungskünstlerinnen und -künstlern, zu denen auch Hanfbauern zählen, als zweites lukratives Geschäftsfeld
Alles, was die beiden bei ihren Gläschen Wein aushecken und der Kulturförderung unterjubeln, scheint zu gelingen. Allein, wer sich zu sicher wähnt, droht übermütig zu werden. «Das macht scho öppis met äim, wemmen äifach alles i Arsch gschoben öberchonnt.» So ist es kein Wunder, dass sie den Bogen überspannen.
Doppelbödiges Theatermärchen
Mit feinen Seitenhieben stichelt Béla Rothenbühler gegen den Kulturbetrieb, die Kulturförderung und erst recht gegen die Politik des frei regulierten Markts, dem auch die Kultur gehorchen soll. Aus der Gegenüberstellung der ambitionierten Projekte mit dem provinziellen Handlungsort resultiert eine Komik, die durch die vertraute Alltagssprache, die Luzerner Mundart, akzentuiert wird. Der Dialekt erzeugt einen Verfremdungseffekt, der die Grossartigkeit der Konzepte ins Wanken bringt und all die modischen Begriffe auf einmal seltsam aussehen lässt: Säif Speis, Diitscheis und Diiler, Öifemesmos und Souschel Midia.
Auf listige Weise erzählt «Polifon Pervers» aus dem Alltag des freien Kulturschaffens. Die Härten und Rückschläge bleiben zwischen die Zeilen verbannt, bis sie schliesslich doch aufbrechen und das Unternehmen scheitern lassen.
Rothenbühlers Roman ist ein munteres und durchaus doppelbödiges Theatermärchen, das selbst auf lustvolle Unterhaltung setzt und am Ende sogar die moralische Sendung nicht vergisst, dass nämlich die schönsten Ideen aus Freundschaft entstehen und zuletzt nur die «Wörk-Läif-Bälänz» zählt. Moralische Bedenken und kulturpolitische Auflagen vermögen daran nicht zu rütteln.*
*Dieser Text von Beat Mazenauer, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.