Putin rechnet mit Wachstum der Brics-Staatengruppe
Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich beim Brics-Gipfel in der Millionenstadt Kasan an der Wolga als Lenker einer internationalen Staatenkoalition präsentiert.
Beim offiziellen Eröffnungsfoto posierte er, eingerahmt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Indiens Premier Narendra Modi, als Gastgeber eines stärker und zunehmend selbstbewusster werdenden Bündnisses, das der Kremlchef zum Gegenpol des Westens aufbauen will.
Die Abkürzung Brics setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der ersten Mitgliedsländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammen. Inzwischen gehören der Allianz auch der Iran, Äthiopien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate an.
Putin betont starkes Wachstum und Autorität der Brics
Das Bündnis hat mit China und Indien nicht nur die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt in den eigenen Reihen. Es generiere kaufkraftbereinigt inzwischen auch 36,7 Prozent der Weltwirtschaft, sagte Putin. Der Anteil steige. Während die Wirtschaft des Westens stagniere, werde die der Brics-Länder 2024/25 um 3,8 Prozent wachsen.
Der Kremlchef möchte die Brics zu einem Gegengewicht zum Westen aufbauen. Dabei geht es laut Putin nicht nur um wirtschaftliche und finanzielle Fragen, sondern auch um Sicherheitspolitik. Die am Bündnis beteiligten Länder teilten die gleichen Werte, sagte Putin.
Länder des Globalen Südens wollen beitreten
Der Erfolg macht die Brics offenbar attraktiv für weitere Länder des Globalen Südens. Es gebe mehr als 30 Länder, die sich dem Bündnis anschliessen wollten, sagte Putin. Nach Kasan sind nach Kremlangaben mehr als 20 Staats- und Regierungschefs vor allem aus Afrika, Lateinamerika und Asien angereist.
«Zweifellos wäre es falsch, das beispiellose Interesse der Länder des Globalen Südens und Ostens an einer Stärkung der Kontakte zur Brics zu ignorieren», sagte Putin. Er fügte aber hinzu, eine Erweiterung dürfe nicht zulasten der Effizienz des Bündnisses gehen.
Putin redet bei Brics-Gipfel über Erfolge im Ukraine-Krieg
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine war mehrfach Thema in Kasan. Schon am Vortag hatte Modi noch einmal Indiens Angebot erneuert, als Vermittler eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen. Auch am Mittwoch kam der Krieg zur Sprache.
Putin hob nach Kremlangaben gegenüber seinen Gesprächspartnern die Erfolge seiner Armee im Krieg gegen die Ukraine. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, die Ukraine-Krise – wie er es nannte – habe in allen bilateralen Treffen Putins eine Rolle gespielt. «Dabei unterstreicht er den Unwillen der ukrainischen Seite zu irgendwelchen Gesprächen und die sehr, sehr positive Dynamik für die russischen Streitkräfte an der Front», sagte Peskow russischen Agenturmeldungen zufolge.
Der Kremlchef hatte am Dienstag bei dem Gipfel in Kasan einzeln mit den Staats- oder Regierungschefs aus China, Indien, Südafrika und Ägypten gesprochen. Militärisch beherrscht Russland derzeit weniger Territorium in der Ukraine als kurz nach Beginn der Invasion 2022. Allerdings drängen russische Truppen im Osten seit Monaten die erschöpfte ukrainische Armee Schritt um Schritt zurück.
Nahost-Konflikt überdeckt Ukraine
Chinas Staats- und Parteichef Xi forderte beim Gipfel eine Deeskalation in der Ukraine und im Nahost-Konflikt. Das Bündnis solle Bewahrer der gemeinsamen Sicherheit sein, sagte er. In der Ukraine müsse eine rasche Deeskalation der Lage angestrebt werden. Das Schlachtfeld dürfe sich nicht erweitern. Im Gazastreifen brauche es eine Waffenruhe und ein Ende des Tötens, sagte Xi.
Die Abschlussdeklaration von Kasan kann als Erfolg für die russische Diplomatie gelten. Die Mitgliedsländer verurteilten Israels Angriffe auf den Gazastreifen und Libanon. Die Ukraine hingegen kam in dem Dokument nur in einem Satz zur Sprache. Es hiess, zu dem Problem gebe es unterschiedliche Positionen. Dafür gab es reichlich Kritik an den Sanktionen, die der Westen gegen Russland wegen des Kriegs verhängt hat.
Kritik an den Vereinten Nationen
Die Ansprüche der Brics-Mitglieder auf mehr Mitbestimmung in der Weltpolitik wurden auch an der wiederholten Kritik gegenüber den Vereinten Nationen deutlich. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa forderte erneut eine Reform des UN-Sicherheitsrats. «Er vertritt nicht die Interessen der Weltgemeinschaft und verfügt daher nicht über die Mittel, um dem weltweiten Wunsch nach Frieden nachzukommen», sagte Ramaphosa. Der UN-Sicherheitsrat verfehle damit sein Mandat. Die Mitglieder der Brics-Gruppe sollten als wichtige Akteure «für die Gestaltung einer neuen multipolaren Weltordnung» eine Neuordnung des Rates vorantreiben. In die Abschlussdeklaration wurden die Forderungen nach einer Reform der Vereinten Nationen ebenfalls aufgenommen.
Heikle Reise von UN-Generalsekretär Guterres
Unter diesen Umständen ist die Teilnahme von UN-Generalsekretär António Guterres am Brics-Gipfel umstritten. Der Portugiese soll am Donnerstag mit Putin zusammentreffen und auch öffentlich beim Gipfel auftreten. Aus der Ukraine kam bereits Kritik. Guterres habe eine falsche Wahl getroffen, nach Kasan zu reisen, nicht aber zum Friedensgipfel in der Schweiz, schrieb das ukrainische Aussenministerium im Vorfeld von dessen Reise.
Vertraute Guterres konterten die Vorwürfe damit, dass der UN-Generalsekretär auch in der Vergangenheit Brics-Treffen besucht habe. Die Organisation sei international so bedeutend, dass sie nicht vernachlässigt werden könne. Guterres werde in Kasan zudem die bekannte Position wiederholen, dass es einen gerechten Frieden für die Ukraine geben müsse. Auch der vor einem Jahr von Russland geschlossene Korridor über das Schwarze Meer für die Ausfuhr ukrainischen Getreides müsse wieder geöffnet werden.