Eine Schützin mit grossen Zielen
Der perfekte Zeitpunkt?
Meistens jetzt. Rückblick mit Muriel Züger. Für die Schützin endete die Saison mit der SM. Nach ein paar Wochen Pause ist sie wieder voll im Training. «Es war eine megacoole und gute Saison.» Ihre bislang beste, sagt die Galgenerin beim Gespräch in Lachen. Luftgewehr und 50 m 3 x 20 sind ihre Disziplinen. «Ich konnte meine Resultate in dieser Saison in beiden klar verbessern.» Sie erntete die Früchte ihrer Anpassungen im 2023. Es war ein Jahr des Umbruchs. Das Ziel: Schiessen auf ganz hohem Niveau. Es kam gut. Vor allem in der Technik, erklärt Züger. «Mein Schiessen war lange von recht viel Krafteinsatz geprägt. Das ist kein Vorteil. Das Ziel ist, möglichst statisch zu bleiben, damit alles ruhiger ist.» Mittlerweile fällt ihr das leichter. «Man könnte fast sagen, ich habe die Grundidee meines Schiessens überarbeitet.» Nicht nur gute, sondern sehr gute Resultate waren ihr Ziel, Spitzenleistungen. Ihre Stärke: Konstanz.
Kein Ticket für Paris
Bei den Olympischen Spielen in Paris war sie nicht dabei. Ihre Erklärung: pragmatisch. «Das Problem war, dass die Qualifikation bereits letztes Jahr startete. Im März 2024 war absehbar, dass ich keine Chance mehr hatte.» Bekanntlich ist die Konkurrenz im Schweizer Schiessverband Swiss Shoo-ting gross, ein starkes Frauenteam, die Spitze ist breit. Zur Einordnung: Drei Schweizerinnen waren an den Olympischen Spielen. Chiara Leone holte Gold im 50 m Dreistellungskampf, Audrey Gogniat Bronze mit dem Luftgewehr. Und nicht zu vergessen Nina Christen, zweifache Medaillengewinnerin (Gold und Bronze) 2021.
Die Situation bedeute Wettbewerb und Frust zugleich. «Ich kann es mittlerweile ein bisschen relativieren, weil ich weiss, dass wir extrem starke Konkurrenz haben im eigenen Land.» Und dadurch werde man eben auch besser. «Kannst du in der Schweiz mithalten, dann auch international.» Im November steht übrigens noch das Weltcupfinale auf dem Programm. Ohne Muriel Züger. Das Training aber hat schon wieder begonnen. Eine Offseason gibt es nicht. Geschossen wird elf Monate im Jahr. Wohl die längste Saison aller Sportarten, geteilt in Outdoor und Indoor.
Erste internationale Indoor-Wettkämpfe starten im Dezember, Luxemburg, Luftgewehr. Zwischen Februar und April finden die ersten Weltcups statt, Kleinkaliber und Luftgewehr. Das sei die Challenge bei den Schützen: «Dass du das ganze Jahr über Wettkämpfe hast.»
Dennoch hat sich Muriel Züger nach der Schweizermeisterschaft Ferien gegönnt, zwölf Tage Griechenland, insgesamt vier Wochen ohne Schiessen. «Ich habe das Gewehr nicht in die Hand genommen.» Eine wichtige Pause. «Das ist gut für den Kopf, weil unser Sport mental sehr fordert.»
Die Sache mit dem Adrenalin
Luft- und Kleinkalibergewehr sind Zügers Sportgeräte. Um während der Saison im Wettkampfmodus zu bleiben, ist sie Mitglied in einem Schützenverein in Bayern, «G’mütlichkeit Luckenpaint ». Klingt nach Plausch. Ist es nicht. Der Verein schiesst in der deutschen Bundesliga. In der Schweiz gibt es eine solche nicht. So kann Züger im Wettkampfalltag bleiben. Dass der kleine Verein in die erste deutsche Bundesliga aufstieg, war eine Sensation. Züger fährt nur für die Wettkampfwochenenden nach Deutschland, von Mitte Oktober bis Mitte Januar.
Mit Schiesstraining alleine ist es natürlich nicht getan. Da sind noch Technik- und Konditionstraining. Im Fokus stehen Rumpfkraft, Bauch, Rücken, Hüften, Schultern. Beim Schiessen selbst sollte man nicht zu viel Muskelkraft aufwenden. Aber damit die Statik hält, braucht es einen starken Rumpf. Der Sport sei sehr belastend. «Es sind unnatürliche Positionen, die wir einnehmen, gerade liegend und kniend.» Es braucht auch eine gute Grundausdauer, ein starkes Herzkreislaufsystem. Joggen, Velofahren, Schwimmen, Wandern. Und dann das Mentale. Stichwort Sportpsychologie. «Entspannungs- und Atemtechniken. Das sind Basictools, die dir im Wettkampf helfen. Denn Schützen tun sich schwer mit dem Adrenalinkick vor dem Wettkampf. » Züger sagt, das sei das Fiese an ihrer Disziplin: «Andere Sportler können sich dadurch noch pushen, sobald sie loslaufen, baut sich das Adrenalin ab. Wir Schützen müssen das einfach aushalten.» Dafür gibt es das mentale Training, das die Athleten alleine machen oder auch im Austausch mit einer Sportpsychologin. Man spreche auch über die Taktik für einzelne Wettkämpfe, erklärt Züger. «Wir haben zwar keine Gegner, auf die wir reagieren müssen. Aber Wind, Lichtveränderungen, Zeitmanagement.»
Die Musik im Tunnel
Muriel Züger fing mit zehn Jahren an zu schiessen. Zunächst Jugend&Sport, einmal in der Woche Luftgewehr. Sie hat auch mal Klavier gespielt, musste dann wegen des Sportes aufhören. Musik ist aber nach wie vor ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. «Ich höre gerade in der Wettkampfvorbereitung viel Musik. Eine Stunde vor dem Start gehe ich wirklich in den Tunnel und da gehört Musik definitiv dazu. Das geht von Schweizer Mundart, über Eminem bis 0 Park.» Eigentlich ist Muriel Züger ausgebildete Primarlehrerin und als J&S-Expertin in der Ausbildungskommission von Swiss Shooting tätig. Dort arbeitet sie unter anderem an der Lehrmittelweiterentwicklung. Das Unterrichten liegt ihr. So kann sie es mit ihrem Sport verbinden.
Olympische Träume
2025 wird wieder viel geschossen. Welt-cup, zwei Europameisterschaften, eine im März für Luftgewehr und eine im Sommer für Kleinkaliber outdoor, die Weltmeisterschaft im November. Davor gibt es die Selektionen. Züger ist zuversichtlich. Einfach werde es aber nicht. «Es sind unter anderem die zwei Olympiamedaillistinnen meine Gegnerinnen. » Aber auch die können mal einen schlechten Tag haben. Zügers Vorteil: Konstanz. «Es wird im Auswahlverfahren immer 365 Tage zurückgeschaut. Jeder Wettkampf, den ich schiesse, ist selektionsrelevant.» Läuft alles nach Plan, formuliert die Galgenerin ihre Ziele für 2025 so: Finalteilnahmen. «Nach der Qualifikation gehen die besten acht Schützinnen in den Final. Dann ist alles möglich.» Darüber hinaus möchte sie sich im Weltcup etablieren.
Los Angeles 2028, die Olympischen Spiele, sind Zügers langfristiger Horizont. Schon ihre letzte Chance? «Grundsätzlich ist Schiessen ein Sport, den man sehr lange ausüben kann, bis 40 oder 50. Aber zwischen 25 und 35 sind die besten Jahre.» In Los Angeles wäre sie 30. Und dann ist da noch Olympia 2032. Man plane stets in olympischen Zyklen, sagt die Sportlerin. «Aber man schaut natürlich auch Saison für Saison.» Jedenfalls sei es der Plan, bis mindestens 2028 dabeizubleiben. Als Profisportlerin mit Nebentätigkeit in der Ausbildung.
Muriel Züger zieht eine positive Saisonbilanz, blickt zurück und nach vorne.
«Kannst du in der Schweiz mithalten, dann auch international.»