«Mit der Nummer 1 in Sölden starten»
Wir treffen uns im TC Lachen. Tennis ist sein Lieblingshobby. Leider bleibt dafür häufig zu wenig Zeit, hatte er mir bei unserer letzten Begegnung erzählt. Daher meine Einstiegsfrage: «Thomas, wann hast du das letzte Mal Tennis gespielt?» «Gestern mit Marco», antwortet er knapp und lacht. Gestern Odermatt, heute Schürmann. Swiss-Ski Nationalkaderfahrer Thomas Tumler wirkt fit, jung und sehr entspannt. Nach 75 Minuten Tennisspass sind wir herrlich durchgeschwitzt, extrem gut gelaunt und bereit für ein Gespräch.
Der Sommer
Bei einer Apfelschorle erzählt Tumler, dass er mit seiner Frau Svenja (sie haben im Juni geheiratet) auf Mallorca in den Ferien war. «Im Hochsommer waren wir ein paar Tag auf einer Finka und im Anschluss segeln», so Tumler. Ansonsten stand die Vorbereitung auf die kommende Wintersaison im Fokus. Die sei perfekt gelaufen, keine Verletzung, keine besonderen Vorkommnisse, alles bestens. «Ich mache das ja schon ein paar Jährchen, ich weiss, worauf es ankommt», sagt der 34-jährige Riesenslalomspezialist und strahlt.
Die Skitage
Über 20 Skitage hat Thomas Tumler in diesem Sommer schon in den Beinen. «Das ist im normalen Rahmen, nicht mehr oder weniger als in anderen Jahren », verrät er. In Saas Fee haben sie bei perfekten Bedingungen viel getestet und ausserdem war er mit dem Riesenslalom- Team im Trainingslager in Argentinien. «Am Ende der Welt», wie die Südspitze Südamerikas genannt wird, hatten «wir super Verhältnisse und konnten das neue Material tes-ten ». Auch Ushuaia und das Skigebiet Cerro Castor kannte der erfahrene Skifahrer bereits. «Als ich noch Speedrennen gefahren bin, waren wir zur Vorbereitung regelmässig in Argentinien oder in Chile. Ist schon einige Jahre her, aber in Ushuaia waren wir sicherlich fünfmal.»
Die Trainingsgruppe
Das Schweizer RS-Team ist hochkarätig besetzt. Zur Trainingsgruppe gehören Marco Odermatt, Justin Murisier, Gino Caviezel, Fadr Janutin und natürlich der Mann aus Samnaun, Thomas Tumler. «Das ist natürlich ein Vorteil, wenn du innerhalb so einer starken Gruppe trainieren kannst», ist Tumler überzeugt. Und wer ist im Training der Schnellste? Fährt Odermatt allen davon? «Nein, im Training ist Marco selten ganz vorne dabei, da probiert er viel aus. Aber im Rennen kann er sich nochmals steigern, das zeichnet ihn aus.» Die Spanne zwischen Trainingsweltmeistern und Weltcupsiegern sei gross. Früher sei er im Training immer einer der Schnellsten gewesen, habe das aber im Rennen nicht umsetzen können. «Dies hat sich in den letzten Jahren verändert», erklärt Tumler.
Im Training werden Zeiten genom-men, einzelne Passagen ausgewertet und Läufe verglichen. Die Zeit sei dabei nicht so entscheidend, da man in vielen Abschnitten nur mit 60 bis 70 Prozent fahre, um das Material besser zu spüren. «Es kommt häufig vor, dass ich nur vier, fünf Tore Vollgas gebe und den Rest eher zum Ausprobieren nutze », verdeutlicht der Riesenslalom-Routinier.
Der Weltcupstart
In Sölden beginnt der Winter bereits am letzten Oktoberwochenende. Auf dem Rettenbach-Gletscher, hoch über Sölden, feiern die Stars des alpinen Skirennlaufs seit Jahren ihren Weltcup-Auftakt. Am Samstag eröffnen traditionellerweise die Damen mit dem ersten Riesenslalom der Saison den Winter. Am Sonntag folgt die rasante Fahrt der Herren durch die blauen und roten Stangen.
Thomas Tumler ist erstmals am Anfang einer Weltcupsaison in der ersten Startgruppe: Platz 1 bis 7 sind in der Lostrommel. Welchen Startplatz wünscht er sich? «Platz eins», lautet Tumlers Antwort ohne Zögern. «Mit der Nummer 1 in Sölden starten, eine Weltcupsaison zu eröffnen, das wäre nochmals ein echtes Highlight, ein ganz besonderer Moment.» Könnte er dann überhaupt noch schlafen, vor lauter Nervosität? Er lacht. Das sei kein Problem. Drei, vier Tage vor Sölden sei er immer extrem nervös, aber am Renntag selbst, sei es nicht mehr so schlimm. «Da habe ich in den letzten Jahren extreme Fortschritte gemacht. Ich kann mich gut auf die Läufe konzentrieren », so Tumler.
Der Aufstieg
Vor nicht einmal zwei Jahren habe ich das erste Interview mit Thomas Tumler geführt. Es war vor der Skiweltmeisterschaft in Courchevel und Méribel (Frankreich). Die Themen damals: Tumlers Chancen auf eine WM-Teilnahme und das Ziel eines Startplatzes im Weltcup unter den Top 30. Seitdem hat sich die Zielsetzung deutlich verschoben. Was hat sich verändert? «Eigentlich alles», gibt Tumler of-fen zu. Und ergänzt: «Mehr Aufmerksamkeit, mehr Sponsorenanfragen und ich kann vom Sport leben.» Aber es sei auch schwieriger geworden etwas zu unternehmen, da er viel mehr Verpflichtungen habe. «Doch ich sehe viel mehr Positives als Negatives», sagt Tumler und lacht wieder.
Der Medienrummel
Nach seinem kometenhaften Aufstieg in der letzten Saison war Thomas Tumler in vielen Medien präsent. In der Schweiz war er teilweise omnipräsent. Im Winter und Frühling sei schon viel auf ihn eingeströmt, da habe es viele Anfragen und Termine gegeben, aber im Sommer habe sich die Situation beruhigt. «Wir hatten in Argentinien ein paar Video-Calls, aber ansonsten war das alles gut überschaubar.» Jetzt, kurz vor der Saison, merke man schon, wie das Interesse langsam wieder steige, aber das sei auch gut so und darauf freue er sich.
Zum Abschluss noch eine Frage: Wie sieht das perfekte Riesenslalom-Podest der Weltcupsaison 2024/25 aus? Rasant schnelle Antwort: «Eins ich, zwei Marco und drei …», nach einer kurzen Pause, «und drei Gino.» Ein schönes Podest.
Der in Lachen wohnhafte Riesenslalomspezialist Thomas Tumler startet Ende Oktober in die Weltcupsaison.
Erstmals gehört der 34-Jährige zur ersten Startgruppe im Riesenslalom. Eine Vorschau.
«Ich kann vom Sport leben.» «Im Training ist Marco selten ganz vorne dabei.» «Ich weiss, worauf es ankommt.»