«Am Ende erwies sich alles als glückliche Fügung»
Jürg Fritsch zieht eine Reihe von Fotos aus einer Klarsichtmappe. «Das war der ehemalige US-Präsident Richard Nixon », erklärt er mit einem Schmunzeln und zeigt auf eines der Bilder. Dieser habe die Firma Pamasol Willi Mäder AG in Pfäffikon besucht – da er sich für die erste computergesteuerte Drehbank interessierte. Das war Ende der Siebziger oder Anfang der Achtziger-Jahre, ganz genau weiss er es nicht mehr.
Jürg Fritsch hat die ganze technische Entwicklung des vergangenen halben Jahrhunderts bei der Firma Pamasol live miterlebt. Denn der gelernte Mechaniker arbeitet seit 53 Jahren bei der Firma – sein ganzes Berufsleben lang. Und am 11. Oktober geht er in Pension – drei Jahre später als geplant. Aber von vorne.
«Wie die Jungfrau zum Kind»
Aufgewachsen ist Fritsch in Uznach. Am Ende des Schuljahres der zweiten Sekundarschule, dem Ende der obligatorischen Schulzeit habe sein damaliger Klassenlehrer verkündet: «Ich möchte Sie nicht mehr in der dritten Sek, Sie können aufhören mit der Schule. » Jürg Fritsch ging also nach Hause und verkündete das Ende seiner Schulzeit. Einer seiner Brüder, der 18 Jahre älter war als er und bei der Pamasol beschäftigt, hörte dies und meinte, er solle doch bei ihnen anfangen. Sie würden jemanden suchen. Gesagt – getan.
Am 28. April 1971, just an seinem 15. Geburtstag, trat Jürg Fritsch seine Lehre als Mechaniker an. «Ich wusste gar nicht, was mich erwartet», gesteht er lachend und fügt an. «Ich kam dazu, wie die Jungfrau zum Kind.» Bis dahin hatte er sich nie mit seiner möglichen beruflichen Karriere auseinandergesetzt – dass sie ihn quasi aus der Schule werfen würden, damit habe er nicht gerechnet. «Das waren noch andere Zeiten», ergänzt er. Heute wäre dies wohl undenkbar. «Em Ende erwies sich aber doch alles als glückliche Fügung», fügt er an und schmunzelt.
Schon am ersten Tag zu spät
Der erste Arbeitstag verlief dann allerdings nicht ganz reibungslos, aber aus anderen Gründen. Da es sein Geburtstag war, haben ihn sein Bruder und der damalige Betriebsleiter, die an jenem Tag ebenfalls Geburtstag hat-ten, zum Mittagessen eingeladen. «Und natürlich kamen wir danach zu spät», ergänzt Fritsch. Gleitzeit war damals noch nicht üblich und so gab es gleich die erste Schelte vom Abteilungsleiter.
Und für den gewählten Beruf brannte der angehende Mechaniker am Anfang auch nicht gerade. «Es hat mir nicht allzu viel Spass gemacht», räumt er ein. Er sei, wie damals üblich, einfach ins kalte Wasser geworfen worden, habe keine Ahnung gehabt, was er da eigentlich tue. «Wir haben normal produziert, natürlich unter der Leitung des Ausbildners», fügt er an. Heute sei dies ganz anders, es gebe eine spezielle Abteilung für die Lernenden. In diesem Bereich habe sich viel getan.
Der Funke sprang doch noch über
Trotzdem war er 1975, nach dem Ende seiner Lehrzeit, froh, durfte er bei der Pamasol bleiben. Die Wirtschaftslage war ungünstig, die Arbeitslosenquote hoch.
So blieb er auf dem eigentlich ungeliebten Beruf. Und fing doch noch Feuer. «Ich machte die Rekrutenschule », erzählt er. Als er zurückgekommen sei, stand da die erste computergesteuerte Drehbank. Die Firmenleitung, damals noch unter dem Patron und Firmengründer Willi Mäder, hatte diese an einer Messe gekauft.
Und niemand wollte damit arbeiten. Die Altgedienten hätten gesagt: «Davon lassen wir die Finger.» Sein Chef habe daraufhin gesagt: «Fritsch, dann gehst du an die Maschine.» Und plötzlich war er Feuer und Flamme. Es sei die erste Generation computergesteuerte Drehbänke gewesen. Im Vergleich zu den heute multifunktionalen Bauteil-Produktionsmaschinen sehr einfach, noch mit Lochstreifen programmierbar.
Programmieren und los!
Und programmiert wurde sie vom Mechaniker selbst. «Das hat mir rich-tig Spass gemacht», blickt er zurück. Es gab dazu eine zwei- bis dreitägige Einführung, danach ging es gleich los. «Das hat immer reibungslos geklappt, erzählt er stolz. Ausschuss gab es sehr wenig.»
Technische Meilensteine
Mittlerweile stieg er zum Abteilungsleiter der Dreherei auf. Die Maschinen wurden mit der Zeit technisch immer ausgereifter, Jürg Fritsch war mitten drin in dieser rasanten Entwicklung.
Als zweiten Meilenstein empfand er die Einführung multifunktionaler Maschinen, die sowohl drehen, fräsen und bohren konnten – und dies in Rekordzeit. «Wo man früher für die Fertigung eines Werkstücks drei bis vier Maschinen brauchte, übernahm dies nun eine einzige und dies dreimal schneller als vorher.» Und programmiert wurde immer noch selber. Einmal habe er in seiner Karriere darüber nachgedacht, die Firma zu wechseln. «Daraus wurde aber nichts, so bin ich geblieben.»
Familiäres Betriebsklima
Wenn er zurückschaut, erinnert er sich gerne an die fast familiären Verhältnisse im Betrieb. «Wir waren noch nicht so gross wie heute, jeder kannte jeden. » Seine Aufgabe fand er durchaus erfüllend – vor allem die Selbstständigkeit schätzte er sehr. «Wir ha-ben in der Abteilung alles von A bis Z selbst gemacht», fügt er an. Dabei war es nicht unbedingt die Computertechnik, die es ihm angetan hatte. «Mit Informatik kann ich nicht allzu viel anfangen. » Es war eher das Gesamtpaket, das ihn gereizt hat.
Den Beruf des Mechanikers würde er übrigens wieder ergreifen. Natürlich müsse man sich heute als Polymechaniker EFZ, wie der Beruf heute heisst, auf ein Gebiet spezialisieren, allenfalls eine Berufsmittelschule machen, sich weiterbilden. Der Beruf habe sich gewandelt und auch die Arbeitswelt.
Pension mit Hindernissen
Und die Pensionierung? Die wäre am 28. April 2021, genau fünfzig Jahre bei Pamasol, und an Fritschs 65. Geburtstag fällig gewesen. Aber es kam wiederum anders.
«Mein Foto war bereits in der Zeitung », erzählt er. Ein junger Mann hat-te gerade die Lehre zum Polymechaniker EFZ abgeschlossen, mit der Spezialisierung Drehen. Er sollte seinen Platz einnehmen, war bereits angelernt. Dann ging dieser ins Militär, rief eine Woche vor Fritschs Pensionierung an, und sagte, er habe sich entschieden weiterzumachen und allenfalls ins Berufsmilitär einzusteigen.
Ein Ersatz war nicht zur Hand. Also blieb Jürg Fritsch. Ihm war es Recht, denn seine Frau steht noch bis März 2026 im Arbeitsleben.
Angst, dass es auch beim zweiten Pensionierungsversuch schief gehen könnte, hat er nicht. «Die Maschine wird ausgemustert und in die Türkei verkauft», erklärt er. Und dorthin plane er keinen Umzug. Stattdessen zieht es ihn im Frühling nach Gommiswald. Und er wird sich vermehrt der Familie widmen, Zeit mit seinen fünf Kindern und den bis dahin fünf Enkeln verbringen. Und natürlich jassen.
Jürg Fritsch aus Pfäffikon arbeitet seit 53 Jahren als Mechaniker bei der Firma Pamasol Willi Mäder AG. Er hat bereits seine Lehre dort absolviert. Nun wird er demnächst pensioniert. Eine Zeitreise.
Jürg Fritsch damals und heute. Bilder zvg