Helfenstein fordert mehr Mut im Nachwuchsbereich
Für den Spieleragenten Sven Helfenstein liegt in der Schweiz im Eishockey viel Potenzial brach. Er würde sich mehr unkonventionelles Denken wünschen.
Helfenstein galt einst als einer der grössten Hoffnungsträger im Schweizer Eishockey. Am 26. Januar 1999 debütiert er bei Kloten im Alter von 16 Jahren in der damaligen NLA. Die U18-WM in Kloten im April 2000 beendet er mit fünf Toren und sechs Assists in sieben Partien als zweitbester Skorer. Im gleichen Jahr wird er von den New York Rangers als Nummer 175 gedraftet.
Doch aus der erhofften grossen Karriere wird nichts, auch weil wegen Fehlbelastungen im Kraftraum Rückenprobleme sein permanenter Begleiter sind. Helfenstein spielte in der höchsten Schweizer Liga für sieben verschiedene Vereine, 2013 beendete er im Alter von 30 Jahren beim damaligen NLB-Verein Lausanne die Karriere.
Viele Vereinswechsel als Pluspunkt
Nun ist er als Spieleragent tätig, obwohl er sich das zunächst nicht vorstellen konnte. Wie kam es dazu? Helfenstein absolvierte eine Ausbildung als Finanzplaner und begann Spieler in Geldfragen zu beraten. Der eine oder andere fragte ihn dann, ob er nicht auch die Verträge für sie aushandeln könne. Zunächst war Helfenstein skeptisch, letztendlich erkannte er es jedoch als Chance. Und so ist er nun in der Schweiz in diesem Geschäft eine feste Grösse. Einer seiner Kunden ist NHL-Star Janis Moser.
«Da ich oft den Verein wechselte, lernte ich sehr viele Leute kennen und sah ich extrem viel. Das ist ein riesiger Pluspunkt in meinem jetzigen Job», sagt Helfenstein im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zudem hilft ihm, nicht nur die Sonnenseite zu kennen. «Ich kann mich in gewissen Situationen besser in den Spieler hineinversetzen, weiss aus eigener Erfahrung, was du in der Karriere nicht machen solltest. Das ist zum Teil fast noch wichtiger als das, was du machen solltest.»
Talent gibt es für ihn nicht
Helfenstein und seine Agentur nehmen Spieler bereits mit 13, 14 Jahren unter Vertrag, zwei Angestellte beschränken sich grösstenteils nur aufs Scouting. Dies mit dem Hintergrund, Talente früh individueller unterstützen zu können, weil dies einem Klub gar nicht möglich ist. «Wir machen viele Sachen mit ihnen, über die ich froh gewesen wäre, wenn man das mit mir gemacht hätte», sagt Helfenstein. Beispielsweise werden ausführliche körperliche Tests durchgeführt – «hat der Spieler schon Dysbalancen, was braucht er, was nicht, was kann gefährlich werden?»
Wobei es das Wort Talent für Helfenstein nicht gibt. «Für mich gibt es Voraussetzungen. Ein gutes Paket wie zum Beispiel viele schnelle Muskelfasern oder eine gewisse Grösse hilft natürlich, aber dann kommen andere Faktoren dazu, nämlich wie man aufgewachsen ist. Vielleicht lebt jemand neben einer Eisbahn oder die Eltern haben viel Zeit in sportliche Tätigkeiten investiert. Dann heisst es, er sei ein Talent, aber er hat einfach nur mehr gemacht als die anderen.» Und genau darum gehe es. Ab der Stufe U15 Elite werde in allen grossen Vereinen in etwa gleich oft trainiert. Von daher gelte es, sich zu überlegen, «was kann ich zusätzlich machen, um schneller vorwärtszukommen. Das zu verstehen und umzusetzen, führt zu einem grossen Unterschied.»
Viele ohne Ahnung auf den tiefen Stufen
NHL-Stürmer Nino Niederreiter warnte nach dem Gewinn der WM-Silbermedaille, dass zu wenig Nachwuchs nachkomme – die Schweiz stellte das zweitälteste Team des Turniers. Sieht Helfenstein das auch so? «Ja, und das ist alarmierend für mich.» Die Gründe sind für ihn klar: «Das Problem ist, was hierzulande auf den Stufen U9 bis U13 gemacht wird. Das ist der ultimative Horror.» Es würden dort viele Miliztrainer arbeiten, die keine Ahnung hätten.
Helfenstein versteht auch nicht, warum auf der Stufe U9 bloss zweimal pro Woche trainiert wird. Das reiche nirgends hin, so der 42-Jährige. In Tschechien würden sie in diesem Alter viermal wöchentlich trainieren. In Nordamerika stünden sie praktisch das ganze Jahr auf dem Eis und «wir haben immer noch das Gefühl, im Sommer eine Pause vom Eis zu benötigen», sagt Helfenstein und fährt fort: «Früher wurde überall weniger trainiert. Da fiel das noch nicht extrem ins Gewicht. Doch nun ist der Rückstand nach der U13 in der Schweiz dermassen gross, dass er kaum mehr aufholbar ist.»
Status Quo statt Mut
Für Helfenstein liegt das Problem darin, dass das System nicht wirklich hinterfragt wird, es wird zu wenig unkonventionell gedacht. So könnte er sich beispielsweise vorstellen, Trainer am Erfolg partizipieren zu lassen und für diese so einen Anreiz zu schaffen, mehr zu machen, als im Pflichtenheft steht. «Man sollte den Mut haben, neue Dinge einzuführen und nicht sagen, dass dafür das Geld fehle.» In Zug hätten sie für das Frauenteam mehr als eine Million an Sponsorengelder aufgetrieben, warum solle das für den Nachwuchs nicht auch möglich sein. «Es wird diesbezüglich zu wenig gemacht», spricht er Klartext.
Helfenstein fände es auch wünschenswert, wenn den Spielern ab der Stufe «U17 Elite» die Möglichkeit gegeben würde, im Sommer individuell zu trainieren. «Denn jeder braucht etwas anderes, allerdings wollen die Klubs die Kontrolle nicht abgeben. Es gibt so viele Sachen, die null Sinn machen. Doch wenn man mit etwas Neuem kommt, heisst es meistens Nein. Jeder schützt den anderen, denn eine Veränderung könnte ja für einen selbst negative Folgen haben. Deshalb wollen sie lieber den Status Quo.»
Eine klare Meinung hat Helfenstein auch zu den sechs Ausländern in der National League «Wie viele Schweizer erhalten in der Offensive noch eine gute Rolle? Sehr wenig. Die Auswirkungen sehen wir noch nicht. Ich bin sehr skeptisch, würde auf fünf Ausländer runtergehen.» Für Helfenstein steht fest: «Es gibt noch viele Baustellen.»