Schwere Kämpfe im Donbass und in Kursk – Putin unter Druck
Russische und ukrainische Truppen liefern sich im Raum Kursk und im Donbass zunehmend schwere Kämpfe. Der Generalstab in Kiew meldete, dass in der Region um Donezk Luft- und Artillerieschläge in den Richtungen Pokrowsk, Torezk und Kurachowe abgewehrt worden seien. Die Rede war von zahlreichen Zusammenstössen.
Das russische Verteidigungsministerium hingegen berichtete von neuen Gebietsgewinnen in der Region. Überprüfbar waren die Angaben beider Seiten nicht. Besonders schwere Kämpfe tobten weiter in der russischen Region Kursk, wo seit dem 6. August ukrainische Truppen Ortschaften einnehmen und kämpfen. Etwa 10.000 Ukrainer sind aus Sicht von Militäranalysten dort im Einsatz.
Kiews Luftlandetruppen veröffentlichten ein Video von den angeblich ersten Stunden der Operation. Der 6. August, das Datum des Beginns der Offensive, werde als historischer Tag in die Geschichte des russisch-ukrainischen Krieges eingehen, teilte die Kampfeinheit mit. In einem Begleittext zum Video stand: Entminung, Durchbruch der Grenze, Zerstörung der Verteidigungsanlagen des Gegners, Luftschläge, Artilleriefeuer und die Festsetzung von Kriegsgefangenen. Russlands Grenzschützer und Militär hatten sich völlig überrascht gezeigt von der Attacke.
Kiew: Gefangenenaustausch in Vorbereitung
Die Echtheit der Aufnahmen, die mit Musik wie in einem Actionfilm unterlegt waren, konnte zunächst von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Sie machten auch auf zahlreichen ukrainischen und russischen Nachrichtenseiten die Runde.
Nach Angaben aus Kiew ist auch ein neuer Gefangenenaustausch in Vorbereitung. Geheimdienstchef Kyrylo Budanow sagte, dass die im Raum Kursk gefangengenommen Russen gegen Ukrainer in russischer Haft, vor allem Kranke und Frauen, eingetauscht werden sollen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte mehrfach erklärt, dass die Kursk-Offensive auch dazu diene, die Reserven für solche Austausche aufzufüllen. Kiew und Moskau haben immer wieder Kriegsgefangene ausgetauscht.
Putin begeht 25 Jahre an der Macht mit Krise
Die Operation gilt auch als Blossstellung für Kremlchef Wladimir Putin, der seit 25 Jahren an der Macht ist. Putin hatte nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine vor fast zweieinhalb Jahren den Menschen im flächenmässig grössten Land der Erde immer wieder Sicherheit versprochen. Putin wurde am 17. August 1999 zunächst Regierungschef, dann Präsident. An diesem Samstag wird er seit einem Vierteljahrhundert an der Macht sein. Der Jahrestag wird nun von der Kursk-Offensive überschattet.
Putin, der immer wieder kritische Phasen während seines Überfalls auf die Ukraine erlebt hat, kündigte bei einer Sitzung des russischen Nationalen Sicherheitsrates an, dass es für die Kriegsteilnehmer neue technische Lösungen geben solle. Details nannte er zunächst nicht. Erwartet wird aber auch eine Vergeltungsaktion der Russen für die ukrainische Bodenoffensive.
Weiter schwere Kämpfe im Raum Kursk
Im Raum Kursk dauerten indes die Kämpfe an. Die ukrainischen Truppen sind nach Angaben der Militärführung in Kiew weiter auf dem Vormarsch und haben demnach mehr als 80 Ortschaften auf einer Fläche von 1500 Quadratkilometern unter ihre Kontrolle gebracht. Unabhängige Militärbeobachter halten die Angaben für überzogen und gehen von etwa der Hälfte der von Kiew genannten Zahlen aus.
Russische Militärblogger berichteten von schweren Kämpfen. Die ukrainischen Truppen hätten im Raum Kursk zahlreiche Verluste hinnehmen müssen. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Angaben. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass die ukrainischen Angriffe weiter zurückgeschlagen würden und auch der Zustrom von Reserven aus dem Nachbarland abgeschnitten sei. Auch diese Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.
Nach britischer Einschätzung ist Russland nicht ausreichend auf den ukrainischen Angriff vorbereitet gewesen. Nach anfänglichem Durcheinander würden jetzt Streitkräfte in grösserer Zahl in der Region stationiert, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. «Sie haben auch damit begonnen, zusätzliche Verteidigungsstellungen zu bauen, um zu verhindern, dass die Ukraine vorrückt.»
Moskau meldet Abschuss von 12 ATACMS-Raketen an Krim-Brücke
Die Ukraine hat nach russischen Angaben erneut versucht, die Brücke zu der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu zerstören. Die russische Flugabwehr habe zwölf Raketen vom US-Typ ATACMS zerstört, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Beweise dafür veröffentlichte das Ministerium nicht. Die Angaben sind nicht von unabhängiger Seite überprüfbar. Allerdings hatte die Ukraine immer wieder erklärt, sie wolle die Brücke zerstören, sobald sie die militärischen Mittel dazu habe, weil sie illegal errichtet worden sei.
Die Brücke gilt als eines der am besten gesicherten russischen Bauwerke, nachdem sie bereits mehrfach Ziel von Angriffen und in der Vergangenheit auch beschädigt worden war. Alarmiert ist das russische Militär zudem, seit deutsche Luftwaffenoffiziere bei einem von Moskau abgehörten Gespräch darüber ausgetauscht hatten, wie viele Marschflugkörper es brauche, um das Viadukt zu zerstören.
Freiwilligenkorps fordert russische Soldaten zur Aufgabe auf
Die ukrainische Bodenoffensive in der Region Kursk hat den Druck auf Russlands Soldaten erhöht. Von Kiew bewaffnete Putin-Gegner werben nun dafür, die Seiten zu wechseln. «Eure politischen Instruktoren, die im warmen Hinterzimmer sitzen, empfehlen eindringlich, sich nicht in Kriegsgefangenschaft zu begeben, sondern sich lieber mit der eigenen Granate in die Luft zu sprengen», schrieben die Kämpfer von der Legion «Freiheit Russlands» auf Telegram. Es sei aber besser zu leben, als für einen Orden des Vorgesetzten zu sterben.
Wer den Wunsch habe, für eine «normale Zukunft Russlands zu kämpfen», könne auch die Seiten wechseln und der Legion beitreten. «Wir sind bereit, mit jedem zu kommunizieren, der den Wunsch äussert, die Waffen gegen den Kreml zu erheben», hiess es in dem Aufruf.
Tote und Verletzte bei Angriff auf Einkaufszentrum in Donezk
Im Donbass wird weiter heftig gekämpft. Bei einem Angriff auf die ostukrainische Stadt Donezk ist nach Angaben der russischen Besatzungsbehörden ein Einkaufszentrum getroffen worden. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass sprach unter Berufung auf Einsatzkräfte von mindestens zwei Toten und sieben Verletzten. Auf Videoaufnahmen, die die russische Agentur Ria Nowosti verbreitete, waren dicke Rauchwolken zu sehen, die aus einem komplett ausgebrannten Gebäude quollen.
Der Brand in dem Einkaufszentrum «Galaktika» sei die Folge eines Angriffs der ukrainischen Streitkräfte, schrieb der Chef der von Russland annektierten Region Donezk, Denis Puschilin, in seinem Telegram-Kanal. Eine Fläche von mehr als 10.000 Quadratmetern stehe in Flammen. Auch ein Krankenhaus sei getroffen worden. Nach Angaben der örtlichen Behörden war der Stadtteil, in dem sich das Einkaufszentrum befindet, Ziel eines Artilleriebeschusses der ukrainischen Armee. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.