USA und Israel: Irans Angriff könnte kurz bevorstehen
Nach Einschätzung Israels und der USA könnte der schon seit Tagen befürchtete Vergeltungsschlag des Irans und seiner Verbündeten gegen Israel nun kurz bevorstehen.
Die USA teilten die Einschätzung der israelischen Stellen, dass es «in dieser Woche» dazu kommen könnte, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Die diplomatischen Bemühungen, den Iran und seine Verbündeten von einem Angriff abzubringen, laufen auf Hochtouren. Eine für Donnerstag geplante neue Verhandlungsrunde über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte entscheidend sein für eine Entschärfung der explosiven Lage im gesamten Nahen Osten.
Deutschland, die USA, Grossbritannien, Frankreich und Italien riefen den Iran auf, die andauernden Angriffsdrohungen gegen Israel zu unterlassen. Das teilten die Staats- und Regierungschefs der fünf Länder nach einem gemeinsamen Gespräch über die Lage in Nahost mit. Ein Angriff würde demnach ernsthafte Folgen für die Sicherheitslage in der Region haben. Die Länder stellten sich hinter die laufenden Bemühungen um eine Deeskalation, das Erreichen einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie eine Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln. Es gebe keine Zeit zu verlieren.
Kann eine neue Gaza-Verhandlungsrunde die Lage entschärfen?
Sowohl die Vermittler USA, Katar und Ägypten als auch Israel haben erklärt, dass ihre Vertreter zu den Verhandlungen am Donnerstag in Doha oder Kairo erscheinen werden. Ob ein Team der Hamas daran teilnehmen wird, ist dagegen noch ungewiss. US-Aussenminister Antony Blinken sprach mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan darüber, wie wichtig es sei, dass auch die islamistische Organisation am Donnerstag zu den Gesprächen zurückkehrt, um den Rahmen für eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen abzuschliessen und die Freilassung aller Geiseln sicherzustellen, teilte ein Sprecher des US-Aussenministeriums mit.
Die Vermittler hatten Israel und die Hamas in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, die Gespräche am 15. August wieder aufzunehmen, «um alle verbleibenden Lücken zu schliessen und ohne weitere Verzögerung mit der Umsetzung des Abkommens zu beginnen». Blinken habe sich bei der Türkei für die Unterstützung der Erklärung bedankt, so der Sprecher. Die Hamas hatte die Vermittler am Sonntag allerdings aufgefordert, einen Plan zur Umsetzung des bereits existierenden Vorschlags für ein Abkommen über eine Waffenruhe auszuarbeiten, «anstatt zu weiteren Verhandlungsrunden zu gehen» oder weitere Entwürfe zu unterbreiten.
Eine mögliche Interpretation dieser Mitteilung sei, dass Hamas-Chef Jihia al-Sinwar den Angriff des Irans und der libanesischen Hisbollah-Miliz gegen Israel abwarten wolle in der Hoffnung, danach bessere Bedingungen für einen Deal zu haben, sagte der israelische Journalist Barak Ravid in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN. Sinwar wird irgendwo im weit verzweigten Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem abgeriegelten Gazastreifen vermutet.
Auch mehr als eine Woche nach der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah im Libanon sowie eines Anführers der Hamas in der iranischen Hauptstadt Teheran ist jedoch weiter unklar, ob und wann der Iran und die mit ihm verbündete Hisbollah die angedrohten harten Vergeltungsschläge gegen Israel ausführen werden.
Bericht: Irans Militär trifft Vorbereitungen
Israel kann erklärtermassen fest mit der Unterstützung der USA und anderer Verbündeter rechnen, wenn es darum geht, Raketen, Marschflugkörper und Drohnen abzufangen. So war es bereits Mitte April beim ersten direkten Angriff Irans auf Israel. Die meisten der mehr als 300 Geschosse konnte Israel damals aus eigener Kraft und mithilfe der USA und anderer Verbündeter abfangen. Wie das US-Nachrichtenportal «Axios» unter Berufung auf israelische und US-Beamte berichtete, hat der Iran nun ähnliche Vorbereitungen für seine Raketen- und Drohneneinheiten getroffen wie vor dem Angriff auf Israel im April.
«Es ist schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, wie ein Angriff des Irans und seiner Stellvertreter aussehen könnte», sagte Kirby. «Aber wir müssen auf eine mögliche Reihe von Angriffen vorbereitet sein, die erheblich sein könnten.» US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bereits die Verlegung des mit einem Atomantrieb ausgestatteten U-Boots «USS Georgia» befohlen, zudem sollen der Flugzeugträger «USS Abraham Lincoln» und seine Begleitschiffe ihre Fahrt in die Region beschleunigen, wie das Pentagon am Montag mitteilte. Der Flugzeugträger mit seinen modernen Kampfjets vom Typ F-35 ergänze den bereits vor Ort stationierten Flugzeugträger «USS Theodore Roosevelt».
USA und Israel stellen sich auf möglichen Angriff ein
Israels Streitkräfte sind seit Tagen in höchster Alarmbereitschaft. Generalstabschef Herzi Halevi betonte nach einem Treffen mit ranghohen Militärs, die Armee bereite sich damit auf Offensiv- und Defensivmassnahmen vor. «Wir befinden uns in den Tagen der Wachsamkeit und der Bereitschaft, die Bedrohungen aus Teheran und Beirut können sich materialisieren, und es ist wichtig, allen zu erklären, dass Bereitschaft, Vorbereitung und Wachsamkeit keine Synonyme für Angst und Panik sind», sagte Verteidigungsminister Joav Galant der «Times of Israel» zufolge.
Unterdessen gab ein Sprecher der Hamas an, dass zwei Mitglieder ihres militärischen Flügels eine israelische Geisel getötet hätten. Zwei weitere Geiseln seien verletzt worden, teilte Abu Obaida mit, der den Al-Kassam-Brigaden zugerechnet wird. Die Taten seien «eine Reaktion auf die israelischen Verbrechen gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen». Das israelische Militär teilte dazu mit, es könne die Angaben derzeit weder bestätigen noch widerlegen. Die Mitteilung Obaidas werde geprüft.
Die Hamas und andere Terroristen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen, mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Das beispiellose Massaker löste den Gaza-Krieg aus. Während einer kurzen Waffenruhe kamen mehr als 100 Geiseln frei, unter ihnen vor allem Frauen und ältere Menschen. Die Freigelassenen berichteten von unmenschlichen Bedingungen, Entbehrungen, Gewalttaten und psychologischem Terror.
Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben.