Unterschiedliche Gefühlslage in der Platz-4-WG
Annik Kälin teilt mit Angelica Moser das Zimmer im olympischen Dorf. In der Platz-4-WG herrscht neu auch Jubelstimmung.
«Sensationell». Mit diesem einen Wort umschreibt die Siebenkämpferin Annik Kälin ihre zwei Tage im Stade de France. Die Bündnerin verschwendet keinen Gedanken daran, dass sie als Vierte bei einem Anlass, bei dem primär die Medaillen zählen, die erste Verliererin sein sollte.
Die 24-Jährige steigerte den Schweizer Rekord um 124 Punkte auf 6639 Zähler. Zu Bronze fehlten ihr 68 Punkte. Es lag letztlich nicht an ihr, ob es zur Medaillen reichen würde oder nicht. Sie hatte getan, was sie tun konnte und liess auch höher eingestufte Athletinnen hinter sich. Letztlich hätte sie nur erben können, sofern sich die nunmehr dreifache Olympiasiegerin Nafissatou Thiam (6880) aus Belgien, die Britin Katarina Johnson-Thompson (6844) oder Belgiens Nummer 2 Noor Vidts (6707) grobe Fehler erlaubt hätten.
Annik Kälin hatte es im Gegensatz zu Angelica Moser oder auch Simon Ehammer nicht in eigenen Händen gehabt, um 36 Jahre nach Seoul 1988 und Werner Günthör die Schweiz wieder in den Leichtathletik-Medaillenspiegel an Olympischen Spielen zu hieven. «Annik ist in Top-Form angereist und konnte dies aus zeigen. Ich hätte sie maximal auf 6650 Punkte angesetzt», sagte ihr Vater und Trainer Marco Kälin.
«Ich hätte unterschrieben»
«Ich kann mir nichts vorwerfen. Für Vierte mit dieser Punktzahl hätte ich im Vorfeld unterschrieben», betonte Annik Kälin. Die Spielerei mit der Addition aller Bestleistungen, um die Chancen auf eine Medaille auszuloten, behagt ihr nicht. «Das bringt nichts. Erstens schafft man das nie, und zweitens müsste man all die Konkurrentinnen auch durchrechnen». Sie blicke lieber in die Zukunft. Und dieser Blick sei vielversprechend, denn sie könne sich noch steigern: Im Grund-Speed, der Sprungkraft oder technischen Details im Hochsprung oder mit der Kugel.
Am Freitagvormittag hatte sich die Mehrkämpferin dank tollen Leistungen im Weitsprung (6,59) und mit dem Speer (48,14) im Zwischenklassement um drei Positionen verbessert. Vor dem abschliessenden 800-m-Lauf lag sie im 3. Rang. Hochgerechnet wurde für die Schlussrangliste Platz 5, doch dank der persönlichen Bestleistung über 800 m (2:11,33) klappte es sogar mit dem 4. Rang. Eine erste persönliche Bestleistung hatte die Bündnerin zum Auftakt mit einem Hürdensprint in 12,87 Sekunden geschafft.