9/11-Anschlag: Justizdeal in USA mit Angeklagten widerrufen
Nach heftiger Kritik hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin eine Einigung der Justiz mit dem mutmasslichen Chefplaner der Terroranschläge vom 11. September 2001 und weiteren Mitangeklagten widerrufen. Das Pentagon gab die Entscheidung mit der Veröffentlichung eines Memorandums bekannt, in der Austin die Aufseherin des Verteidigungsministeriums über das entsprechende Verfahren mit «sofortiger Wirkung» von ihrer Aufgabe entband. Zugleich übernahm er selbst die direkte Aufsicht über den Fall.
Er habe festgestellt, dass in Anbetracht der Bedeutung der Entscheidung, «die Verantwortung für eine solche Entscheidung bei mir liegen sollte», erklärte Austin in der am Freitagabend (Ortszeit) veröffentlichten Anordnung. Damit könnte den Angeklagten auch wieder die Todesstrafe drohen.
Austin führte seine Entscheidung auf ein Gesetz zurück, das die Arbeit von Militärkommissionen regelt. Das 2009 vom Kongress und dem damaligen Präsidenten Barack Obama verabschiedete Gesetz legt unter anderem auch fest, wer vor Militärkommissionen für welche Verbrechen angeklagt werden kann.
Am 11. September 2001 waren bei dem bislang schlimmsten terroristischen Anschlag in den Vereinigten Staaten rund 3.000 Menschen getötet worden. Islamistische Terroristen hatten drei gekaperte Passagierflugzeuge in das World Trade Center in New York und das Pentagon nahe Washington gesteuert. Eine vierte Maschine stürzte im Bundesstaat Pennsylvania ab. Chalid Scheich Mohammed gilt als Chefplaner der Anschläge und soll auch die Kommunikation und die Finanzierung des Vorhabens geregelt haben.
Scharfe Kritik an der Einigung
Das US-Verteidigungsministerium hatte die umstrittene Einigung am Mittwoch mitgeteilt. Chalid Scheich Mohammed und zwei weitere Beschuldigte wollten eine Vereinbarung mit der Justiz eingehen und sich schuldig bekennen, hiess es. Die genauen Details wurden zunächst nicht publik gemacht. Auch das weitere Prozedere blieb unklar.
Die Einigung war sowohl bei Republikanern als auch bei manchen Betroffenen auf Unverständnis gestossen. Unter anderem der Vorsitzende des Ausschusses für Aufsicht und Rechenschaftspflicht im US-Repräsentantenhaus, James Comer, hatte die Einigung in einem Brief an US-Präsident Joe Biden scharf kritisiert. Comer forderte ausserdem Auskunft darüber, ob die Regierung bei der Verhandlung des Deals eine Rolle gespielt habe. Dies hatte Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, am Donnerstag auf Nachfrage von Journalisten verneint.
Chalid Scheich Mohammed sitzt seit vielen Jahren im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba und wäre US-Medienberichten zufolge durch die Vereinbarung der Todesstrafe entgangen. Zentral für den Deal waren den Berichten zufolge Folter-Anschuldigungen gegen die USA. Rechtsexperten warnten demnach davor, dass etwaige Geständnisse in einem Gerichtsverfahren deswegen keinen Bestand haben könnten.
Republikaner übten aber umgehend Kritik an der Vereinbarung. «Sie (…) signalisieren damit unseren Feinden, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, gegen diejenigen, die unser Land angreifen, mit aller Härte vorzugehen», schrieb Comer. Er beklagte zudem einen «absoluten Mangel an Transparenz». Ähnlich kritisch hatte sich schon sein Parteikollege Mike Johnson, der dem Repräsentantenhaus vorsitzt, geäussert: Bidens Regierung habe «das Undenkbare» getan. Die Angehörigen der Opfer hätten «Besseres verdient».
Feuerwehr-Mitglieder fühlen sich betrogen
In US-Medien meldeten sich nach Bekanntwerden der Vereinbarung auch mehrere Ersthelfer und Angehörige von Opfern zu Wort, die mit dem Deal nicht einverstanden waren. Die Gewerkschaft der New Yorker Feuerwehr teilte mit, ihre Mitglieder fühlten sich «betrogen und angewidert».
Chalid Scheich Mohammed war 2003 in Pakistan festgenommen worden. Im Anschluss wurde er vom US-Geheimdienst CIA verhört. Einem Bericht des US-Senats zufolge wurde er während der Verhöre gefoltert. 2006 wurde er nach Guantánamo überstellt. Dort sollte ihm vor einem Militärtribunal der Prozess gemacht werden. Das Verfahren gegen ihn und mehrere Mitangeklagte verzögerte sich jedoch jahrelang.