Judoka Nils Stump gehört zu den grössten Medaillenhoffnungen
Nils Stump ist Judoka mit Leib und Seele, seit er siebenjährig ist. Nach WM-Titel und WM-Bronze in den letzten 14 Monaten soll in Paris die olympische Krönung folgen.
Judo kann ganz schön brutal sein. Vor drei Jahren, als sich Nils Stump den Traum von der Olympiateilnahme erstmals erfüllt hatte, war nach einem Kampf bereits wieder Schluss. «Natürlich, das ist schon hart», gibt der 27-Jährige aus dem Zürcher Oberland zu. «Verlierst du einen der ersten Kämpfe, bist du gleich wieder weg. Aber das macht unseren Sport auch megaspannend.»
Die Begeisterung für diesen, seinen, Sport, strahlt Stump mit jeder Faser seines durchtrainierten Körpers aus. Und das schon seit vielen Jahren. «Es war Liebe auf der ersten Matte», schreibt er auf seiner Website über die erste Begegnung im Alter von sieben Jahren. Stump war ein sehr aktives Kind mit viel Energie, also schickten die Eltern den kleinen Nils und seinen jüngeren Bruder zum Judo. Und trafen dabei voll ins Schwarze. «Nichts trug ich damals so gerne wie mein Judogi – das weisse ‘Gewand’ der Judoka», erzählt er weiter von den Anfängen.
Trainingslager im Judo-Mutterland
Freude und Ehrgeiz wurden zum idealen Nährboden für sportlichen Erfolg. Nach dem Besuch der Kunst- und Sportschule Zürcher Oberland in Uster und einer kaufmännischen Lehre zog Stump in den Aargau, um im nationalen Leistungszentrum in Brugg trainieren zu können. Kam der Weltmeistertitel vor einem Jahr noch etwas überraschend, bestätigte er diesen mit weiteren zwei Siegen bei Grand-Slam-Turnieren, zuletzt in diesem Frühjahr in Duschanbe, und WM-Bronze vor zwei Monaten. Dies ist umso erstaunlicher, da er sich im letzten November an der linken Schulter eine komplizierte Bänderverletzung zuzog und sich operieren lassen musste. Fünf Monate später stand er wieder wettkampfmässig auf der Matte – und hatte nichts von seinem Können eingebüsst.
Den letzten Schliff für die Olympischen Spiele holten sich die Schweizer Judoka – neben Stump sind der Aargauer Daniel Eich (Kategorie bis 100 kg) und die Waadtländerin Binta Ndiaye (bis 52 kg) qualifiziert – in Japan. Das Herkunftsland des «sanften Weges» (Übersetzung des japanischen Wortes Judo) sei halt «mega gut», erklärt der Zürcher die lange Reise so kurz vor Olympia. «Es hat eine riesige Breite von Athleten, mit denen man super trainieren kann.»
Die letzten drei Wochen vor Olympia dienen nun aber noch dem Feinschliff und der Regeneration. Und dem etwas seltsamen Ritual der Judoka vor einem Wettkampf. Nils Stump muss nämlich, wie seine Konkurrenten auch, gehörig leiden, um auf das verlangte Gewicht von 73 kg zu kommen. Eigentlich sind sie nämlich fast alle schwerer. Gewogen wird am Abend vor dem Wettkampf, davor schwitzen sich die Sportler mit Hitzeanzügen oder in der Sauna mehrere Kilo weg, grösstenteils Wasser. Danach wird möglichst viel wieder zugenommen, beim Wettkampf selber darf man maximal fünf Prozent über dem Limit sein (was stichprobenartig überprüft wird).
Nur zehn Tage Ferien im Jahr
Stump hat das «Spielchen» bestens im Griff. Er lebt nun seit einigen Jahren nur noch für seinen Sport. Dank Sporthilfe, Armee und Sponsoren muss er keiner anderen Arbeit nachgehen. Das wäre auf dem Niveau auch gar nicht möglich. Auf seiner Website wartet er mit ein paar eindrücklichen Zahlen auf.
21 Stunden trainiert er pro Woche, 14 Wettkämpfe und rund 48 Kämpfe bestreitet er in einem Jahr. Dafür ist Stump 380 Stunden auf Reisen, denn die meisten Judo-Turniere finden ausserhalb Europas statt. 18 Länder hat er dabei bereist, übrig bleiben zehn Tage Ferien im Jahr. Nach Paris sind es dann vielleicht wieder einmal ein paar Tage mehr. Allzu lang dürfte es Nils Stump allerdings nicht ohne Judo aushalten.