England muss weiter warten und diskutiert über Southgate
Für England geht das Warten auf den zweiten grossen Fussball-Titel weiter. Ob der nächste Anlauf mit Gareth Southgate an der Spitze gestartet wird, ist offen.
Auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions waren noch nicht einmal alle englischen Tränen trocken, da begann schon die grosse Diskussion um die Zukunft der Three Lions. Im Studio der BBC hiess es, England habe während des ganzen Turniers nicht so gespielt, wie sie es hätte tun sollen mit dieser Qualität, mit diesen Spielern. Nur ein Triumph hätte die Mannschaft von Gareth Southgate die Kritik zum Ende hin ersparen können.
Aber letztlich war die bemerkenswerte Fähigkeit, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, doch zu wenig, um nach «58 Jahren des Schmerzes» (BBC) endlich wieder einen Titel ins Mutterland des Fussballs zu bringen. Auch 2024 kommt der Fussball nicht heim. Es war der 29. Versuch der Engländer seit dem WM-Titel 1966 vor eigenem Publikum, dem 4:2 im Final gegen Deutschland. Mal scheiterten die englischen Fussballer schon in der Qualifikation, mal dramatisch im Penaltyschiessen. Zuletzt aber scheiterten sie vor allem spät im Turnier.
Kein Entscheid von Southgate
Unter Southgate erreichte die Millionen-Truppe – 2024 hatten die 26 englischen EM-Teilnehmer zusammen 1,5 Milliarden Euro an Wert – zwei EM-Finals und einen WM-Halbfinal. Damit brachte der aktuelle Nationalcoach England so nahe an den ersten Titel seit 1966 wie keiner seiner Vorgänger. Und trotzdem fordern einige und erwarten viele seinen Abgang. «Ich vermute, es war Southgates letztes Spiel», sagte der frühere englische Goalgetter Alan Shearer und ergänzte: «Vielleicht denkt er, es sei Zeit für jemand anderen.»
Southgate selber befand nach dem Final, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um einen solchen Entscheid zu fällen. «Ich muss mit den richtigen Menschen sprechen.» Von der Öffentlichkeit wird er nicht sehr viel Rückhalt bekommen. Zu enttäuscht war man in England über die Spielweise der Mannschaft – allem Erfolg zum Trotz. Nicht jeder englische Fan wird sie so zurückhaltend und positiv äussern wie der König, der via Soziale Medien an die Adresse von Southgate schrieb: «Auch wenn Ihnen der Sieg heute Abend verwehrt geblieben ist, möchten meine Frau und ich Sie und Ihr Team mit meiner ganzen Familie auffordern, den Kopf hochzuhalten.»
Es ist eine der Stärken von Southgate, den Kopf hochzuhalten. Auch in der finalen Niederlage bewies er Grösse, gratulierte dem Gegner und urteilte: «Spanien war die beste Mannschaft des Turniers.» Zu seinem Team meinte er: «Meine Spieler waren unglaublich, ich bin stolz auf das, was sie geleistet haben.» England hat nicht brilliert, aber einen starken Willen gezeigt. In der K.o.-Runde konnte es viermal einen Rückstand wettmachen, darunter im Viertelfinal gegen die Schweiz.
Das Hoffen geht weiter
Am Einsatz hat es bei den Engländern nicht gefehlt. Sie waren ein wenig das Abbild ihres Trainers: etwas langweilig, aber beharrlich. Vielmehr schienen die Kräfte für ein spektakuläres Auftreten nicht zu reichen. Jude Bellingham war längst nicht so brillant wie in den Monaten zuvor mit Real Madrid. Harry Kane war verglichen mit seiner erfolgreichen Torjagd bei Bayern München sogar kaum wiederzuerkennen. Der englische Rekord-Torschütze wirkte trotz seiner drei EM-Tore matt und ausgelaugt. Im Final forderten die englischen Fans im Stadion schon kurz nach der Pause Ollie Watkins für den Captain ins Spiel.
Der Sieg im Final hätte alles Negative verdrängen können. Nun aber bleibt einmal mehr von einem Turnier nur die Enttäuschung – und die Hoffnung, dass für Englands Nationalteam doch irgendwann noch alles gut kommt oder wie es König Charles formulierte: «Die Nation wird die Three Lions weiter anfeuern – heute und bei den vielen Triumphen, die zweifellos noch vor uns liegen.»