Auf Audienz im Schloss der Engländer
Die englische Nationalmannschaft hat ihr Hauptquartier während der EM im thüringischen Blankenhain eingerichtet. Ein Augenschein vor Ort, wie sich der Viertelfinal-Gegner der Schweiz vorbereitet.
Blankenhain fiebert dieser Tage mit zwei Nationalteams mit bei der Europameisterschaft. Wer am gelben Gebäude der Stadtverwaltung vorbeifährt, sieht neben der deutschen auch eine englische Fahne im Wind flattern. Und an der Fanmeile, die am Marktplatz im Zentrum eingerichtet wurde, werden neben der Partien des deutschen Nationalteams auch jene der englischen Mannschaft übertragen.
Die Präferenz für die «Three Lions» hat einen einfachen Grund: Seit Anfang Juni ist die Delegation der englischen FA in Blankenhain beherbergt. Das Spa & Golf Resort Weimarer Land im Norden der Kleinstadt, in der rund 7000 Menschen leben, ist die temporäre Heimat von Kane und Co. Während der EM-Vorbereitung hatte auch die deutsche Nationalmannschaft ein paar Tage auf dem Areal des denkmalgeschützten ehemaligen Gutshofes Krakau verbracht.
Nur zu gern würde man einen Augenschein nehmen, wie es sich so lebt im aus fünf Gebäuden bestehenden Anwesen, das eine Golfanlage mit 45 Loch und einen 3000 Quadratmeter grossen Wellnessbereich zu bieten hat. Doch die Lindenallee, die von der Hauptstrasse abzweigt, ist abgeriegelt.
Wer die Website der Unterkunft besucht, wird berieselt von atmosphärischer Musik und einer tiefen Männerstimme, die alle paar Sekunden «Relax» haucht. Insofern scheinen zumindest die Rahmenbedingungen gegeben, dass sich die englischen Fussballer optimal von einer Partie erholen können.
Die nahbaren Stars
England ist Teil einer Monarchie, und entsprechend wird auch an der Europameisterschaft königlich empfangen. Das Schloss Blankenhain, ein Bau aus dem Mittelalter, ist eine der wenigen touristischen Attraktionen dieser Gemeinde im Landkreis Weimarer Land. Das Schloss ist der Ort, an dem der englische Fussballverband während der EM seine offiziellen Termine durchführt.
Zwei Fahnen mit dem englischen Wappen flankieren den steinernen Torbogen, der in den Innenhof führt. Weisse Stühle mit blauen Sonnenschirmen sollen zum Verweilen einladen, wenn sich eine Medienaktivität im Innern verzögert. Phil Foden und Ezri Konsa, die an diesem Tag auch Teilen der Anwesenden Auskunft geben, posieren vor dem Torbogen für Fotos und geben wartenden Fans Autogramme. Die Stars geben sich nahbar.
Der Presseraum ist im linken Flügel des Schlosses eingerichtet. «Do you want some tea?», fragt Verbandsmitarbeiter Mark. Es ist an diesem Mittwoch kurz nach 15 Uhr. Die heimischen Traditionen wollen auch in den thüringischen Ländereien eingehalten sein. Er bringt einen Becher Erdbeer-Tee, dazu gibt es frische Sandwiches und Kartoffelchips, «Crisps», wie man auf der Insel sagen würde.
Das Duell an der Dartscheibe
Die Engländer wollen an dieser Europameisterschaft offensichtlich gute Gastgeber fern der Heimat sein. Und dabei auch Traditionen hochhalten. Bevor Brentfords Stürmer Ivan Toney sich hinter das Mikrofon auf dem Podium setzt und sich den Fragen der Medienschaffenden stellt, stellt er sich vor eine Dartscheibe. Und zeigt, dass der Entscheid zur Fussballkarriere offensichtlich der erfolgversprechendere Weg gewesen ist. Mit 7 zu 92 verliert er das Duell mit einem englischen Medienschaffenden nach der Vorgabe, wer mit drei Pfeilen mehr Punkte werfen kann.
Es ist ein Ritual, das die Engländer bei jedem ihrer Termine zelebrieren. Entsprechend ist am Leaderboard daneben alles genau dokumentiert. Nach Toneys dürftiger Darbietung steht es in der Gesamtabrechnung noch 5:4 für die Spieler.
Die Uhren, der Käse und die Nati
Natürlich werden am Schloss Blankenhain nicht nur Tradition und Volkssport gefeiert, sondern es wird auch über Fussball gesprochen. Die wenig überzeugenden Auftritte des Teams von Gareth Southgate, die sehr überzeugende Darbietung der Schweiz im Achtelfinal gegen Italien. Das Direktduell der beiden Teams am Samstag im EM-Viertelfinal in Düsseldorf.
«Die Schweiz hatte mal gute Uhren und leckeren Käse. Jetzt haben sie auch noch ein gutes Fussball-Nationalteam», sagt Tee-Lieferant Mark. «England hatte mal ein gutes Fussball-Nationalteam, jetzt nicht mehr so sehr.»
Er lächelt etwas gequält. So richtig scheint er nicht daran zu glauben, dass die englische FA noch oft zur Audienz im Schloss Blankenhain wird laden können.