Suche nach politischer Lösung im Libanon-Konflikt
Während die USA im Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon Wege zur Vermeidung eines Krieges ausloten, geht der gegenseitige Beschuss der Gegner vorerst weiter. Die israelische Luftwaffe attackierte in Reaktion auf erneute Angriffe auf Gebiete im Norden Israels Stellungen der Hisbollah im Süden des Libanons, wie die israelische Armee am späten Freitagabend bekanntgab. Es wird befürchtet, dass sich ein möglicher Krieg zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA und der Iran hineingezogen würden. Die UN-Vertretung des Irans in New York warnte am Samstagmorgen auf der Plattform X, sollte Israel eine umfassende militärische Aggression gegen den Libanon beginnen, «wird es zu einem vernichtenden Krieg kommen».
Israels Verteidigungsminister: Wir sind nicht auf Krieg aus
Israel will nach den Worten von Verteidigungsminister Joav Galant keinen Krieg, sieht aber seine Armee dafür gerüstet. «Wir arbeiten an einer politischen Lösung. Das ist immer das Bessere», sagte Galant am Freitag bei einem Truppenbesuch nahe Israels Grenze zum Libanon, wie israelische Medien berichteten. «Wir sind nicht auf Krieg aus, sind aber auf einen vorbereitet.» Falls die Hisbollah den Krieg wähle, «wissen wir, was wir tun», fügte er hinzu. «Wenn sie den Frieden wählt, gehen wir darauf entsprechend ein.» Die Schiitenmiliz im Libanon erklärte wiederholt, Israel müsse den Krieg im Gazastreifen gegen die mit der Hisbollah verbündete Islamistenorganisation Hamas zuerst vollständig beenden, bevor sie mit dem Beschuss Israels aufhöre. Die Hisbollah und die Hamas sind Verbündete des Irans.
Alle Optionen, «einschliesslich der vollen Beteiligung aller (anti-israelischen) Widerstandsfronten, liegen auf dem Tisch», hiess es in der Warnung der UN-Vertretung des Irans vor einem Krieg. Am Samstag werden erste Ergebnisse der Präsidentenwahl in dem Land erwartet. Die Wahl eines Nachfolgers für den kürzlich bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten Ebrahim Raisi steht im Zeichen einer schweren Wirtschaftskrise, Spannungen mit dem Westen, Frust über die Staatsmacht und Regierung sowie des Konflikts im Libanon zwischen dem Erzfeind Israel und der proiranischen Hisbollah.
Bericht: USA prüfen Optionen für politische Lösung
Während die USA eine Waffenruhe im Gaza-Krieg als wichtigen Schritt zur Lösung der Krise im Libanon ansähen, hätten Beamte damit begonnen, Alternativen zur Deeskalation zu prüfen, berichtete die «Washington Post» am Freitag (Ortszeit). Israel sei hinter verschlossenen Türen dazu gedrängt worden, nicht die Partei zu sein, die den Konflikt im Libanon eskalieren lässt. In Entwürfen für eine Einigung werde die Hisbollah unter anderem aufgefordert, schwere Waffen von der Grenze zu Israel abzuziehen, während im Gegenzug Mittel für den Wiederaufbau im Libanon angeboten würden, hiess es unter Berufung auf libanesische und europäische Beamte. Die Hisbollah-Miliz habe trotz der andauernden Kämpfe im Gazastreifen über libanesische Vermittler weiter mit Washington verhandelt.
Auch Katar, das zusammen mit den USA und Ägypten als Vermittler zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Krieg fungiert, sei von den Vereinigten Staaten gebeten worden, bei der Lösung im Libanon-Konflikt behilflich zu sein, zitierte die US-Zeitung eine mit den Bemühungen vertraute Person. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast neun Monaten kommt es täglich zu Schusswechseln zwischen Israels Armee und der Hisbollah im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Am Freitag schoss die Miliz 25 Geschosse und drei Drohnen auf Israel ab, wie das israelische Militär mitteilte. Menschen wurden nicht verletzt. Israels Armee beschoss nach eigenen Angaben mehrere Abschusspositionen der Hisbollah.
Mehrere Länder, darunter Deutschland, riefen ihre Staatsbürger erneut dazu auf, den Libanon zu verlassen. Die USA bereiten nach eigenen Angaben derzeit keine Evakuierung ihrer Landsleute aus dem Libanon vor, haben aber in dieser Woche mit der «USS Wasp» ein zusätzliches US-Kriegsschiff in die Region verlegt. Schiffe dieser Art würden aber nicht ausschliesslich für militärisch unterstützte Ausreisen genutzt, betonte die stellvertretende Sprecherin des Pentagon, Sabrina Singh, am Freitag. «Sie befinden sich in der Region, um Stabilität zu garantieren und Aggression abzuwenden.» Die Frage, ob die Verlegung des Schiffes mit der Vorbereitung auf eine mögliche Evakuierung amerikanischer Landsleute zu tun habe, wie es der US-Sender NBC zuvor berichtet hatte, beantwortete Singh mit «nein».
Pentagon: Gaza-Pier wird erneut nach Israel geschleppt
Unterdessen ist die vom US-Militär errichtete provisorische Anlegestelle an der Küste des umkämpften Gazastreifens wegen rauen Seegangs erneut abgebaut worden. Die Anlage werde nach Aschdod an die israelische Küste geschleppt, teilte Singh mit. Einen Zeitpunkt, an dem der Pier wieder in Betrieb genommen werden kann, nannte sie nicht – dies hänge von den Umständen ab. «Wir werden die Umwelt- und Wetterfaktoren weiterhin im Auge behalten», sagte die Sprecherin und kündigte an, über den Verlauf weiter zu informieren.
Der Pier war bereits zuvor wegen rauen Seegangs vorübergehend nach Aschdod gebracht worden, um strukturelle Schäden zu verhindern. Wegen hoher Wellen und stürmischer See war das Provisorium bereits kurz nach der Inbetriebnahme im Mai beschädigt worden. Die israelische Stadt Aschdod liegt gut 30 Kilometer von Gaza entfernt. Probleme hatte es auch immer wieder bei der Verteilung der Hilfsgüter gegeben. Laut Singh befinden sich weiterhin nicht verteilte Hilfsgüter im Pier-Bereich am Strand von Gaza. Es gebe zwar noch Platz, der Bereich sei aber «nahezu voll». Man führe Gespräche mit dem Welternährungsprogramm (WFP), um das weitere Vorgehen zu koordinieren, teilte die stellvertretende Sprecherin des Pentagon mit. Wegen eines massiven israelischen Militäreinsatzes in der Nähe des Piers, bei dem auch mehrere Geiseln befreit wurden, hatte das WFP die Verteilung zuletzt gestoppt.