Rangnicks Österreicher mit Meisterstück zum Gruppensieg
Der Geheimfavorit Österreich stürmt als Gruppensieger in die EM-Achtelfinals. Die Handschrift von Taktikfuchs Ralf Rangnick auf der Trainerbank ist spürbar. Die Spieler streichen den Charakter heraus.
Vielleicht war der 2. Mai der entscheidende Tag für Österreichs Höhenflug an dieser EM. Da entschied sich Ralf Rangnick, den Schalmeienklängen Bayern Münchens zu widerstehen. Der 65-jährige Schwabe dürfte seinen Entscheid, österreichischer Nationaltrainer zu bleiben, erst recht nicht mehr bereuen.
Mit dem schwungvollen 3:2-Sieg in Berlin gegen die Niederlande lieferten seine Spieler ihr Meisterstück ab. Österreich wurstelte sich in der so genannten Todesgruppe mit Frankreich, den Oranjes und Polen nicht mit Hängen und Würgen in die Achtelfinals, sondern als strahlender Gruppensieger. Das Erfolgsgeheimnis: «Dieses Team hat hundert Prozent Charakter», schwärmt Romano Schmid. Der nur 1,68 m grosse Mittelfeldspieler erzielte mit einem Hecht-Kopfball das 2:1 und sein erstes Länderspieltor.
Ersatzspieler fügen sich nahtlos ein
Wie stark die Österreicher mittlerweile aufgestellt sind, zeigte die Aufstellung für das dritte und entscheidende Spiel am Dienstagabend. Gleich auf fünf Positionen stellte Rangnick seine Startaufstellung gegenüber dem 3:1-Sieg gegen Polen um, und zwei der Neuen spielten eine entscheidende Rolle. Der linke Aussenverteidiger Alexander Prass von Sturm Graz in seinem erst achten Länderspiel erzwang das niederländische Eigentor zum 1:0, Schmid das 2:1. «Man merkt, egal, wer auf dem Platz steht, die Prinzipien greifen.»
Diese Prinzipien hat Rangnick seinen Spielern ganz tief eingeimpft. Die Basis des österreichischen Spiels sind Laufbereitschaft, ein energisches Pressing und Teamgeist. Das lebt diese Mannschaft seit geraumer Zeit eindrücklich vor. Nach einer überzeugenden Qualifikation – ein Punkt hinter Belgien, aber deren neun vor Schweden – gehörten sie zu dem Geheimfavoriten an dieser EM und erfüllen diesen Status eindrücklich.
Rückschlag weggesteckt
Auch von einer unglücklichen 0:1-Niederlage nach einem Eigentor gegen Frankreich liess man sich nicht vom Kurs abbringen. «Im Fussball geht es oft schnell», weiss Marcel Sabitzer. Der Champions-League-Finalist mit Borussia Dortmund war gegen die Niederlande mit dem 3:2-Siegtor der Matchwinner. «Es ist normal, dass du Ups und Downs hast. Die Frage ist, wie du damit umgehst.»
Auch der Vize-Captain verweist auf die Breite und die Automatismen. «Man sieht, wir wechseln durch, und es wird nichts vermisst. Jeder weiss um seine Position, was er machen muss.» Mit dem Gruppensieg verdienten sich die Rot-Weiss-Roten nun einen Achtelfinal, in dem sie wohl Favorit sein werden.
In Leipzig treffen sie nach einer Woche Pause auf den Zweiten der Gruppe F, wahrscheinlich die Türkei oder Tschechien. Die Türken bezwang man Ende März in einem begeisternden Testspiel in Wien 6:1. Wachsen nun die Bäume in den Himmel? So weit mag Sabitzer noch nicht vorausschauen. «Jetzt gilt es wieder runterzufahren, den Kopf freizubekommen von der Sache, und dann greifen wir weiter an», sagte er direkt nach dem Sieg gegen die Niederlande. Auf die Schweiz könnten die Österreicher im Übrigen erst im Halbfinal treffen.