EU startet Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und Moldau
Die Europäische Union hat Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau eröffnet. Vertreter der von Russland angegriffenen Ukraine und des kleinen Nachbarlandes Moldau kamen dazu am Dienstag in Luxemburg zu ersten sogenannten Regierungskonferenzen zusammen.
«Dies ist ein historischer Moment für uns alle und ein Meilenstein in unserer Beziehung», sagte die belgische Aussenministerin Hadja Lahbib im Namen der EU zum Auftakt der Gespräche. Der Erweiterungsprozess sei eine geopolitische Investition in Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wohlstand.
Wie lange die Beitrittsverhandlungen dauern werden und ob sie überhaupt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können, ist offen. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden beispielsweise bereits 2005 gestartet – sie liegen allerdings heute nach fortdauernden Rückschritten des Landes in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte vollständig auf Eis.
Bei der Ukraine gilt es derzeit auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre Kriegspartei.
Grosser Tag für die Ukraine
In der Ukraine wurde die Eröffnung der Verhandlungen dennoch gross gefeiert. «Heute ist der Tag, auf den wir alle lange und hart hingearbeitet haben – die gesamte Mannschaft der Ukraine», sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer vor seinem Amtssitz in Kiew aufgezeichneten Videobotschaft. Das Land habe nun die definitive Gewissheit, ein vollwertiges Mitglied der EU zu werden. Dabei erinnerte der Staatschef auch an die Unterzeichnung des Beitrittsgesuchs am fünften Tag der russischen Invasion Ende Februar 2022. Mit Selenskyj waren Regierungschef Denys Schmyhal und Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk auf dem Video zu sehen.
«Viele haben gesagt, das ist nicht mehr als ein Traum», sagte Selenskyj. Nach «Tausenden von Treffen und Telefonaten» habe Kiew jedoch die Bedingungen für die Aufnahme der Gespräche dank der Entschlossenheit des ukrainischen Volkes erfüllt.
Parlamentspräsident Stefantschuk zeigte sich überzeugt, dass die Ukraine den Beitrittsprozess in Rekordzeit absolvieren werde. «Wir haben alle notwendigen Gesetze verabschiedet und werden das auch weiter tun, damit die Ukraine nie wieder vom europäischen Haus gelöst wird», unterstrich er. Ministerpräsident Schmyhal sagte zum angestrebten EU-Beitritt: «Wir werden dieses Ziel – wie auch alle anderen unsere Ziele – definitiv erreichen.»
EU mahnt weitere Reformen an
Die belgische Aussenministerin Lahbib erinnerte unterdessen daran, dass weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft sind und theoretisch auch wieder rückgängig gemacht werden können. «Die EU erwartet von der Ukraine, dass sie weiterhin Verantwortung übernimmt und die Glaubwürdigkeit ihrer Zusagen und ihres politischen Willens durch die Umsetzung notwendiger Reformen (…) zeigt», sagte sie.
Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonderes Augenmerk sollte demnach auf die Justizreform, den Kampf gegen Korruption sowie den Schutz und die diskriminierungsfreie Behandlung von nationalen Minderheiten gelegt werden. Letzterer Punkt ist vor allem für das EU-Land Ungarn wichtig, das eine ungarische Minderheit in der Ukraine als benachteiligt ansieht und immer wieder mit einer Blockade des Beitrittsprozesses gedroht hat.
Auf der Tagesordnung der ersten Regierungskonferenzen am Dienstag stand vor allem eine Vorstellung der Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen durch die EU. Erste inhaltliche Gespräche dürften nach Angaben von Diplomaten im Verlauf der nächsten zwölf Monate beginnen. Bis dahin muss die EU-Kommission noch in einem sogenannten Screening prüfen, inwieweit das nationale Recht der Beitrittskandidaten noch vom EU-Recht abweicht.
Von der Leyen: Weg ist anspruchsvoll, aber voller Chancen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Dienstag, dass die Eröffnung der Verhandlungen eine sehr gute Nachricht für die Menschen in der Ukraine, in Moldau und in der gesamten Europäischen Union sei. «Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch voller Chancen sein», schrieb sie auf der Plattform X.