Jolanda Neff muss vor den Olympischen Spielen das Atmen neu lernen
Fünf Wochen vor dem olympischen Mountainbike-Rennen sind zwei der vier Schweizer Teilnehmer auf Formsuche. Am Heim-Weltcup in Crans-Montana steht Jolanda Neff nicht am Wochenende nicht am Start.
Es ist das zweitletzte Weltcuprennen vor den Olympischen Spielen, die Hauptprobe für die WM 2025 und das bedeutendste Heimrennen des Jahres für die Schweizer Mountainbikerinnen und Mountainbiker. Am Samstag stehen in Crans-Montana nach intensiven Regenfällen in der Region die Short Tracks auf dem Programm, am Sonntag die Hauptrennen.
Jolanda Neff ist zudem Botschafterin der Weltmeisterschaften im Wallis im kommenden Jahr. Doch am Wochenende wird die Olympiasiegerin aus der Ostschweiz fehlen. Zu sehr schränken sie ihre Atemprobleme derzeit ein, zu wenig Zeit für die ambulante Therapie bleibt bis zu den Olympischen Spielen, für die Neff zum dritten Mal nach Rio de Janeiro und Tokio selektioniert ist.
Endlich eine Diagnose
Die Probleme begleiten Neff schon länger. Sie sind auch der Grund, weshalb es die dreifache Gesamtweltcupsiegerin in den Rennen im Gegensatz zu früher langsamer angehen lassen muss. Doch erst seit Kurzem hat die 31-Jährige dank wochenlanger Untersuchungen eine Diagnose: Sie leidet unter dem sogenannten EILO (Exercise-Induced Laryngeal Obstruction), einer anstrengungsbedingten Verengung des Kehlkopfes. Dieses kann zu plötzlichen akuten Atemproblemen bei sehr starker körperlicher Anstrengung führen.
Das klingt einschneidend für eine Ausdauersportlerin, ist es laut Neff aber nur phasenweise. Schon vor zehn Jahren habe sie Rennen erlebt, in denen sie in den Phasen erhöhter Anstrengung Atemprobleme bekundete. Meist habe sich die Verengung im Rennverlauf wieder gelöst, erklärt Neff.
Diese Variabilität erklärt auch die grossen Schwankungen. In den Rennen in Brasilien klassierte sich Neff zum Auftakt der Weltcupsaison in den Rängen 5 und 6. In Nove Mesto ging dann plötzlich gar nichts mehr; als 46. wurde sie gar überrundet.
Kein Fragezeichen für Paris – oder doch?
Zuletzt nahm Neff auf dem Rennvelo an der Tour de Suisse der Frauen teil. Dabei testete sie auch die Ansätze aus der Atemtherapie, mit der sie die Probleme in den Griff bekommen will. Sie habe «einige gute Fortschritte gemacht, aber ich kann mich noch nicht anstrengen», beschied sie nach den «vier harten Tagen auf der Strasse» und erklärte ihren Verzicht auf Crans-Montana.
Was bedeutet das für die Olympischen Spiele? Noch glaubt Neff an ihre Teilnahme in guter gesundheitlicher Verfassung. Im Wissen um die Diagnose und die ambulante Therapie, in der es vor allem um die Atemtechnik unter Anstrengung geht, sagte sie vor dem Abstecher aufs Rennvelo: «Es geht mir sehr gut. Das Problem schränkt mich nicht gross ein.» Sie könne jetzt buchstäblich durchatmen, für Paris gebe es keine Fragezeichen, betonte Neff.
Sina Frei, deren Saison ebenfalls nicht reibungslos verläuft und durch einen Knochenbruch in der Hand beeinträchtigt wurde, wäre in Paris die Ersatzfahrerin, sollte Neff drei Jahre nach ihrem Triumph an den Sommerspielen in Tokio doch Forfait erklären müssen.
Flückiger noch auf Formsuche
Bei den Männern kann sich Filippo Colombo nach seiner bitteren Nicht-Selektion kaum Hoffnungen machen, in Paris nachzurücken. Wenngleich sich in den letzten Wochen auch Mathias Flückiger schwergetan hat. Der 35-jährige Berner, 2021 in Tokio Olympiazweiter und anschliessend Gesamtweltcupsieger und WM-Zweiter, wurde vor knapp zwei Jahren just in seiner stärksten Karrierephase durch eine vermeintlich positive Dopingprobe aus der Bahn geworfen und auf dem Weg zurück in die Weltspitze durch gesundheitliche Probleme gebremst.
Zweimal war der im Mai aufgrund von Verfahrensfehlern freigesprochene Flückiger in den letzten Monaten krank, einmal in der Vorbereitung und erneut nach dem Weltcupstart. Das Ergebnis ist eine bislang durchwachsene Saison, in welcher er sich mit dem 6. Platz in Nove Mesto das Olympia-Ticket aber gerade so sicherte. Nach dem 12. Rang in Val di Sole liess Flückiger Anfang Woche verlauten: «Das ist nicht das, was ich mir erhoffe. Ich bin weiterhin auf der Suche nach meiner Topform.»
Flückiger gab sich zuversichtlich, noch in den Flow zu kommen. Kriegen Neff und er die Kurve nicht rechtzeitig, treten die erfolgsverwöhnten Schweizer Mountainbiker Ende Juli in Paris nur mit zwei heissen Eisen an. Nino Schurter feierte am letzten Wochenende in Val di Sole mit 38 Jahren seinen 36. Weltcupsieg, Alessandra Keller ist Zweite im Gesamtweltcup.