Pedri soll bei Spanien nach langer Leidenszeit wieder zaubern
Er gilt als nächstes Wunderkind und Nachfolger von Andres Iniesta beim FC Barcelona. Nach etlichen Verletzungen ist Pedri zurück auf dem Feld - und lässt Spanien träumen.
Pedri wird nach einem Eckball des Gegners am eigenen Sechzehner angespielt. Der Ball kullert Richtung Seitenlinie, doch der Mittelfeldspieler des FC Barcelona hält ihn im Spiel, deckt ihn geschickt ab gegen seinen körperlich überlegenen Gegenspieler. Er tänzelt mit dem Ball, einmal nach rechts, dann nach links, ehe er ihn dem verdutzten Mikel Balenziaga von Athletic Bilbao mit der Sohle zwischen den Beinen hindurch spielt, sich so nicht nur aus einer Drucksituation befreit, sondern auch noch einen Gegenangriff einleitet. Das Camp Nou steht kopf, der nächste Magier ist geboren.
Noch nicht mal 20 Jahre alt ist Pedro Gonzalez Lopez, kurz Pedri, damals, im Februar 2022. Er hat schon 43 Spiele für den FC Barcelona absolviert und sein Können mehrfach unter Beweis gestellt. Beim katalanischen Verein wissen sie, welch Rohdiamanten sie in ihren Reihen haben. Und dies bei einem Klub, dessen Nachwuchsschmiede «La Masia» schon Talente wie Lionel Messi, Xavi und Andres Iniesta hervorgebracht hat.
Parallelen zu Andres Iniesta
Fünf Millionen Euro überwiesen die Katalanen im Sommer 2020 für den 18-Jährigen, der auf Teneriffa geboren wurde und in Las Palmas die Liebe zum Fussball entdeckte. Ein Schnäppchen, wie sich zeigen sollte. 143 Spiele hat Pedri seit seinem Debüt im September 2020 für Barça absolviert, in denen ihm 20 Tore und 13 Assists gelangen. Sein Marktwert wird auf 80 Millionen Euro taxiert, seine Ablösesumme ist auf astronomische 1’000’000’000 Euro festgesetzt. Doch mit nackten Zahlen wird man diesem Spieler nicht gerecht. Viel mehr als vor dem gegnerischen Tor versprüht Pedri seinen Glanz zwischen den Strafräumen. Er schlägt Haken, spielt Zauberpässe, lässt Gegner alt und Mitspieler gut aussehen.
Nicht von ungefähr nennt man ihn in Anlehnung an seine magischen Fähigkeiten und aufgrund gewisser optischer Ähnlichkeiten Harry Potter. Verglichen wird Pedri aber auch mit Andres Iniesta, dem Welt- und Europameister mit Spanien, der die erfolgreichste Ära des FC Barcelona gemeinsam mit Messi und Xavi geprägt hat. Wie sein Vorgänger trägt Pedri im Klub die Nummer 8, wie Iniesta hat auch er schon früh sein Elternhaus verlassen, um in der katalanischen Metropole seinen Traum zu leben.
Und genau gleich wie der mittlerweile in Fernost unter Vertrag stehende 40-jährige Iniesta musste Pedri schon in jungen Jahren Rückschläge verkraften. Bei beiden streikte der Körper, machten die Muskeln zu oder rissen gar im Bündel. Pedri erlitt in seiner noch jungen Karriere bereits mehrere Muskelverletzungen und verpasste deshalb 85 Spiele seines Vereins; allein diese Saison waren es 19 Partien. Zu überfüllt war sein Terminkalender, zu gross die Belastung für den zierlichen Körper, zu gross die Last der Spiele mit einer viel zu anspruchsvollen Kombination aus EM 2021 und Olympischen Spielen.
Auf den letzten Drücker – und in Form
Aufgrund einer hartnäckigen Oberschenkelverletzung verpasste Pedri sämtliche EM-Qualifikationsspiele der spanischen Nationalmannschaft. Sein letztes Länderspiel vor dem finalen Zusammenzug für die Endrunde in Deutschland absolvierte Pedri an der WM 2022. Kein Wunder, war seine Berufung ins EM-Kader bis zuletzt fraglich.
Nationaltrainer Luis de la Fuente liess den Kontakt zu Pedri jedoch nie abreissen und sprach ihm vor der EM das Vertrauen aus. Der 21-Jährige, der bei der EM 2021 zum besten Nachwuchsspieler des Turniers gewählt wurde, zahlte das Vertrauen zurück und schoss in der Vorbereitung beim 5:1 über Nordirland seine ersten beiden Länderspieltore.
Beim ersten Treffer dreht sich Pedri nach einem Zuspiel im Mittelfeld auf, treibt den Ball nach vorne und zieht aus rund 25 Metern Torentfernung per Vollspann ab, versenkt den Ball im unteren linken Eck. Das zweite Tor erzielt er nach Hereingabe von Nico Williams aus zehn Metern Entfernung in Stürmer-Manier. Pedri kann nicht nur zaubern, er kann auch effektiv sein.
Entsprechend euphorisiert sagte Luis de la Fuente vor dem Auftaktspiel am Samstag (ab 18.00 Uhr) gegen Kroatien: «Ich habe eine gute Nachricht: Pedri ist wieder da.» Was allen, die es mit den Spaniern halten, ein Lächeln ins Gesicht zaubert, dürfte den Gegnern ein flaues Gefühl bereiten.