Das Märchen des Kwadwo Duah
Er war die grosse Überraschung in der Schweizer Startaufstellung: Kwadwo Duah bringt das Nationalteam in seinem zweiten Länderspiel auf die Siegerstrasse.
In der Schweiz kenne man ihn sehr wohl, erklärte Trainer Murat Yakin einem Journalisten, der vor dem Spiel noch nie von Duah gehört hatte. «Nun kennt ihn auch Europa.» Denn nach ziemlich genau zwölf Minuten war es der 27-jährige Berner, der plötzlich alleine vor dem ungarischen Torhüter auftauchte, die Nerven behielt und den Ball im Tor versenkte. Damit ebnete Duah den Weg zum so wichtigen 3:1-Sieg gegen Ungarn.
Der Torschütze musste sich zunächst gedulden, denn der Linienrichter wollte ein Offside entdeckt haben. «Traum geplatzt, dachte ich mir», sagte Duah, als er auf die Szene angesprochen wurde. «Als das Tor dann gegeben wurde, ist alles in mir explodiert. Diese Gefühle habe ich noch nie in meinem Leben erlebt.» Was er in den letzten Tagen und Wochen erlebt habe, sei wie ein Märchen.
Über Nürnberg nach Rasgrad
Bis vor kurzem hatte man Duah kaum auf dem Radar. Ausgebildet bei den Young Boys, wurde er zu Beginn seiner Karriere meist an andere Schweizer Vereine ausgeliehen. In St. Gallen konnte er erstmals richtig auf sich aufmerksam machen. Es folgte eine Saison mit Nürnberg in der 2. Bundesliga, ehe Duah einen ungewöhnlichen Weg einschlug und beim bulgarischen Klub Ludogorez Rasgrad unterschrieb. Dort spielte er zwar in einer wenig beachteten Liga, konnte aber in der Conference League internationale Erfahrung sammeln.
15 Tore in 37 Spielen sind ein schöner Wert, auf den auch Yakin aufmerksam wurde. «Wir hatten seine Daten, kannten ihn als Typen aber noch nicht.» Es folgte die Einladung ins Vorbereitungscamp – auch weil die Schweiz nach der Verletzung von Breel Embolo zusätzliche Optionen im Angriff brauchte. «Er hat die Situation mit sehr starken Trainingsleistungen genutzt», sagte Yakin. «Aber dass er in so kurzer Zeit so wichtig für uns wird, hätte er wohl selbst nicht gedacht.»
Nein, das hätte Duah definitiv nicht. «Für mich ist bereits mit dem Einrücken ins Camp ein Traum in Erfüllung gegangen», sagte der Angreifer. Ein Höhepunkt jagte den nächsten: das Debüt im Testspiel gegen Estland, die endgültige Nominierung für die EM und schliesslich die Nachricht der Trainer, dass er im Auftaktspiel gegen Ungarn wohl von Beginn an auf dem Platz stehen würde. «Ich wusste es schon seit ein paar Tagen, in den Stunden vor dem Spiel wurde die Nervosität immer grösser. Und als dann die Hymne abgespielt wurde, ging mein Herz auf.»
Absage an Ghana
Von Captain Granit Xhaka gab es ein anerkennendes «Chapeau» für die starke Leistung. Er bezeichnete Duah an der Pressekonferenz stets als «den Jungen». Und das, obwohl Duah nur knapp fünf Jahre jünger ist als Xhaka. Jedoch liegen 123 Länderspiele zwischen ihnen.
Daher hat Duah im Nationalteam eher den Status eines aufstrebenden Newcomers inne. So jedenfalls sprach er nach dem Spiel, als er gefragt wurde, ob er nun mit einem Stammplatz rechne. «Natürlich habe ich Ambitionen. Aber ich bin schon dankbar, dass ich überhaupt hier sein darf.»
Das Schweizer Trikot hatte Duah zuletzt vor fast sieben Jahren im Nachwuchs getragen. Am 13. November 2017 bestritt er sein letztes Spiel mit der U20. Weil es danach ruhig um ihn wurde, streckte Ghana die Fühler nach dem Doppelbürger aus. Ein Aufgebot vor zwei Jahren lehnte er jedoch ab. Eine Weile war er sich unsicher, ob er die Chance nicht hätte nutzen sollen. «Jetzt weiss ich, dass es richtig war, zu warten.»