Griezmann dirigiert das französische Orchester
Er ist nicht der schnellste und nicht mehr der treffsicherste Franzose. Aber von ihm hängt vieles ab: Taktgeber Antoine Griezmann.
Zu übersehen ist Griezmann auf dem Feld nie. Die Frisur – immer eine andere, aber immer gewagt – verrät seine Position. Das ist hilfreich, denn je älter der gelernte Stürmer wird, desto mehr Freiheiten geniesst er im Nationalteam. Er taucht in fast allen Zonen auf, nahe am eigenen Strafraum, um zu verteidigen, weit vorne, um die letzten Pässe zu spielen oder selber das Tor zu suchen.
Griezmann geniesst das totale Vertrauen von Nationalcoach Didier Deschamps. Unglaubliche und weltweit noch nie erreichte 84 Länderspiele am Stück bestritt der 33-Jährige zwischen August 2017 und dem letzten März. Als er dann verletzt fehlte, wurde er beim verlorenen Test gegen Deutschland schmerzlich vermisst.
«Er ist nicht zu ersetzten», schrieb Bixente Lizarazu, mit Frankreich Weltmeister 1998 und Europameister 2000, in seiner Kolumne für «L’Equipe». «Er sorgt für das Gleichgewicht, er verbindet das Mittelfeld mit dem Sturm. Er ist altruistisch, immer in Bewegung und nicht fokussiert auf seine eigenen Statistiken. Dank ihm spielen die anderen besser.»
Griezmann ist anders, auch weil sein Werdegang ein anderer war. Als 14-Jähriger schaffte er es in kein französisches Nachwuchszentrum, weil man ihn für zu klein und schmächtig befand. Er ging deshalb ins spanische San Sebastian und machte bei Real Sociedad die letzten Schritte zum Profi. Mittlerweile ist er für Atlético Madrid zu einer Ikone geworden. Seit diesem Jahr ist er der Rekordtorschütze des Klubs.
Im Nationalteam ist das Toreschiessen nicht mehr seine Kernaufgabe. Andere wie in erster Linie Kylian Mbappé sind dafür zuständig. Mittels Statistik ist die Bedeutung von Griezmann nicht mehr im richtigen Mass zu erkennen, was auch dazu führt, dass er in der öffentlichen Wahrnehmung etwas im Schatten anderer steht. Was ihn meistens nicht zu stören scheint.
Captain der französischen Nationalmannschaft wäre Griezmann allerdings gern geworden. Als Deschamps Mbappé als Nachfolger des nach der letzten WM aus dem Nationalteam zurückgetretenen Hugo Lloris bestimmte, kursierten Gerüchte, Griezmann werde zurücktreten. Ein, zwei Tage sei es hart gewesen, gestand der Übergangene, der am viertmeisten Länderspiele in der Geschichte der französischen Nationalmannschaft bestritten hat.
Dann habe er sich mit der Situation arrangiert, so Griezmann. Keine zwei Minuten benötigte er im ersten Spiel unter dem neuen Captain, um gegen die Niederlande den Ball zu erobern und nach Doppelpass mit Mbappé zu treffen – das alles mit rosa Haarpracht.