Ein neuer Sieger, aber keine Überraschung
Erstmals seit Stan Wawrinka 2015 wird es am French Open einen neuen Champion geben. Egal, ob es Carlos Alcaraz oder Alexander Zverev wird, ein Überraschungssieger wird es nicht sein.
Im letzten Jahr, als er erstmals als Nummer 1 und Mitfavorit nach Paris kam, war Carlos Alcaraz noch nicht bereit. Vom Druck der (auch eigenen) Erwartungen zentnerschwer belastet, kämpfte der Spanier im Halbfinal gegen Novak Djokovic nach zwei hochkarätigen Sätzen mit Krämpfen.
Nicht bereit war auch Alexander Zverev, als er im Coronajahr 2020 zum ersten und bisher einzigen Mal in einem Grand-Slam-Final stand. Am US Open hatte er den Pokal auf dem Präsentierteller, Zverev führte gegen Dominic Thiem mit 2:0 Sätzen und einem Break. Am Ende verlor er im Tiebreak des fünften Satzes.
2020 noch nicht reif für den Titel
«Da war ich kein Kind mehr, aber ich war trotzdem irgendwie noch nicht reif dafür», blickte Zverev auf 2020 zurück. Seither habe er sich aber sportlich wie menschlich weiterentwickelt, so der Deutsche: «Ich hoffe, dass ich das am Sonntag auch auf dem Platz zeigen werde.»
Als Sieger des letzten grossen Sand-Turniers vor Paris in Rom gehörte Zverev zu den Topfavoriten, doch bisher konnte er sein Potenzial bei den Majors nie ausspielen. Das hat Alcaraz seinem Kontrahenten voraus, weshalb er am Sonntag ab 15.00 Uhr zu favorisieren ist. Mit erst 21 Jahren steht der Spanier bereits in seinem dritten grossen Final, und die ersten beiden hat er am US Open 2022 und vor einem Jahr in Wimbledon gewonnen.
Alcaraz hatte den schwierigeren Weg in den Final und überzeugte auf der ganzen Linie. Im Halbfinal rang er in einem nervenaufreibenden Fünfsätzer die neue Nummer 1 Jannik Sinner nieder. Mit einem weiteren Sieg würde er hinter dem Italiener – und vor Novak Djokovic – an die zweite Stelle rücken.
Zverev etwas mehr unter Druck
Auch deshalb spürt Zverev vielleicht etwas zusätzlichen Druck. Mit 27 Jahren war der Hamburger klar der älteste der vier Halbfinalisten. Die Zukunft dürfte Alcaraz und Sinner gehören, umso mehr will Zverev jetzt seine Chance nutzen. «Ich freue mich genau fünf Minuten», machte der Deutsche nach dem Halbfinalsieg gegen Casper Ruud klar. «Und dann möchte ich mich auf den Final vorbereiten und dort einen guten Match spielen.»
Zverev hat Vorteile beim Aufschlag, Alcaraz dafür das komplettere Spiel. Er agiert bei wichtigen Punkten mutiger und offensiver als der Deutsche. Der Spanier weiss aber, dass er noch einmal ans Limit gehen muss. «Er spielt grossartiges Tennis auf Sand», lobt er seinen Gegner. Einen Überraschungssieger wird es bei dieser Ausgangslage jedenfalls nicht geben.