Nun verkörpert Ditaji statt Mujinga Kambundji die Medaillenhoffnung
Mujinga Kambundji ist vor zwei Jahren an der EM in München mit Gold und Silber das Aushängeschild der Schweizer Delegation, Schwester Ditaji komplettiert den Medaillensatz der Familie mit Bronze.
Nun hat die Hierarchie gedreht – bezogen auf die Resultate.
Gleich vorweg: Eine innerfamiliäre, sportliche Rivalität existiert nicht. Kaum jemand jubelte ausgelassener im Olympiastadion von München beim Bronzelauf von Ditaji Kambundji als Mujinga. Die beiden mögen sich sehr, helfen einander, pflegen ein inniges Verhältnis, es herrscht keine Missgunst. Dies betonen sie immer wieder und ist auch für Aussenstehende sichtbar.
Und bei den Treffen der Grossfamilie Kambundji, Mujinga und Ditaji haben zwei weitere Schwestern, wird ihr Beruf oft zur Nebensache. In diesen Momenten geht es erst recht nicht darum, wer Spitzensport treibt und wer nicht, wer gerade erfolgreich ist und wer weniger.
Verbindend wirken auch die gemeinsamen Trainings auf dem Sportplatz – in der Regel auf der Leichtathletikanlage Wankdorf. Bei diesen Einheiten kann die Hürdenläuferin Ditaji von der schnelleren Sprinterin Mujinga Kambundji profitieren. Sie holt sich dank ihrer Schwester die Grundschnelligkeit, die sie dann zweimal in der Woche in Basel in den Techniktrainings mit Claudine Müller aufs Hürdenkorsett überträgt.
Pionierin in Sachen Profitum
Die um zehn Jahre jüngere Ditaji hat schon sehr viel von ihrer Schwester gelernt, nicht nur auf dem Trainingsplatz. Mujinga Kambundji hat vorgemacht, wie man als Schweizer Leichtathletin ins Profitum wechseln kann, und wie der Mut für diesen Schritt auch auf internationaler Bühne belohnt wird: 2016 EM-Bronze über 100 m, 2017 nachträglich Hallen-EM-Bronze, 2018 Hallen-WM-Bronze, 2019 WM-Bronze 200 m, 2022 Hallen-WM-Gold plus EM-Silber und -Gold über 100 und 200 m, Gold an der Hallen-EM 2023. All dies war einer Schweizerin zuvor ebenso wenig zugetraut worden wie die starken Auftritte über 100 m im Olympia-Final 2021 und im WM-Final 2022.
Die Aufzählung von Ditaji Kambundjis Erfolgen fällt einst womöglich eben so lang aus. Auffallend ist, dass sie bereits mit 20 Jahren mit Bronze an der EM in München 2022 erstmals auf dem Podest bei der Elite stand – Mujinga schaffte in Amsterdam den Durchbruch erst als 24-Jährige. Und Ditaji war im Gegensatz zu Mujinga auch U20- und U23-Europameisterin, also schon im «Nachwuchs» die Beste Europas.
Karriereplanung, Medienarbeit, Umgang mit Verletzungen, Trainerwechsel und vieles mehr: In all diesen Sachen hat die Jüngere von der Älteren profitiert. Diese Inputs haben Ditaji Kambundji nun ermöglicht, punkto Schlagkraft auf internationaler Bühne das Zepter zu übernehmen. 2023 an der Hallen-EM in Istanbul kam sie mit Bronze noch nicht an das Gold ihrer Schwester heran, dann änderten die Vorzeichen. Während sich die Sprinterin den letzten Sommer über mit der Entzündung der Plantarfaszie herumschlug und ihr Top-Niveau nicht erreichte, legte das Hürden-Ass noch einen Zacken zu. Sie senkte den Schweizer Rekord auf 12,47 Sekunden und stand an der WM in Budapest in ihrer Disziplin als einzige Europäerin im Final.
EM-Poker bei Mujinga Kambundji
Und diese Saison geht es im gleichen Stil weiter. Mujinga Kambundji kommt nicht so richtig in Fahrt, obwohl sie sagt, die Probleme mit dem Fuss seien unter Kontrolle. Es lässt sich nur schwer abschätzen, was am Sonntag im 100-m-Lauf möglich sein wird. 11,22 Sekunden stehen heuer erst zu Buche. Da muss eine massive Steigerung her, um zu einem Top-Resultat zu kommen. Der erfahrenen Sprinterin darf zu Gute gehalten werden, dass sie vergangenen Sommer trotz der Probleme einen Weg fand und nahe an die 11-Sekunden-Marke herankam.
Ditaji Kambundji hingegen stieg gleich auf Schweizer Rekord-Niveau wieder ein. Sie begann dort, wo sie vergangene Saison aufgehört hat. Ihre Zielsetzung für Rom setzt sie hoch an: «Sicher eine Medaille. Und natürlich versuche ich, die schönste zu holen». Diese Aussage galt bei Kambundjis auch schon für München 2022, damals aber für die ältere Schwester Mujinga.