Der Rekordsieger triumphiert in der Champions League auf seine Art
Real Madrid erobert den 15. Triumph in der Champions League auf typische Art und Weise: Der Rekordsieger gewinnt mit der Abgebrühtheit eines Champions - ohne zu brillieren, mit gnadenloser Effizienz.
Hätte es noch ein Exempel gebraucht für die Erfolgsformel von diesem Real Madrid der Gegenwart, das 2:0 im Final gegen Borussia Dortmund würde es gut veranschaulichen. Eine Halbzeit schwamm die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti gewaltig. Doch sie überstand die gegnerischen Angriffswellen unbeschadet, bewahrte die Ruhe, schraubte an den richtigen taktischen Stellen und schlug dann in der Person des 32-jährigen Verteidiger-Routiniers Dani Carvajal und des 23-jährigen Turbo-Dribblers Vinicius Junior eiskalt zu.
Das Ergebnis war Real Madrids «Decimoquinta», der 15. Triumph in der Champions League, der sechste allein seit 2014. Ein Erfolg, der sich schwer erklären lässt angesichts der fehlenden Brillanz durch den ganzen Wettbewerb und dieser ersten Halbzeit gegen Dortmund, der aber durchaus seine Logik hat.
Von einem Urvertrauen getragen
13 Partien bestritt Real Madrid auf dem Weg zum Titel, keine ging verloren, zehnmal setzten sich die Spanier durch. Das 2:0 gegen den BVB war aber erst der dritte Sieg mit mehr als einem Tor Differenz, und auch beim 4:2 gegen Napoli und beim 2:0 gegen Braga in den Gruppenspielen fielen die entscheidenden Tore spät. Besonders in den wichtigen Spielen profitiert Real von seiner Aura. Die Gegner zeigen Nerven, Reals Akteure werden von einem Urvertrauen getragen. Ist der Gegner wie Manchester City im Viertelfinal überlegen, passt sich die Mannschaft an und lauert geduldig auf ihre Chance.
Auch dieses 2:0 gegen Borussia Dortmund, zu dem Systemanpassungen in der Pause entscheidend beitrugen, passt in dieses Schema. Nach der ersten Halbzeit lag der Wert der erwarteten Tore aus Sicht von Real bei 0,09 zu 1,44, Dortmund erarbeitete sich acht Chancen, Real trotz mehr Ballbesitz zwei. In der zweiten Halbzeit überliess Ancelottis Mannschaft dem Gegner häufiger den Ball, stand im Mittelfeld aber mit dem etwas zurückgezogenen Jude Bellingham kompakter. So war Real defensiv stabiler und kam selbst zu Torchancen.
«Irgendwie können wir diese Finals einfach nicht verlieren. Ich weiss nicht warum, aber es ist auf jeden Fall gut so», sagte Toni Kroos treffend. Der 34-jährige Deutsche gewann die Champions League wie Luka Modric, Dani Carvajal und Nacho zum sechsten Mal und bestritt sein letztes Spiel auf Klubebene.
Nacho, der durch die Verletzungen von David Alaba und Eder Militão in der Startelf stand und als dienstältester Spieler die Captainbinde trug, nennt Reals Spezialität für die grossen Spiele die «DNA von Real Madrid». Man habe gegen Dortmund gelitten, in einem sehr komplizierten Spiel, so Nacho. Carvajal räumte ein: «In der ersten Halbzeit hätten wir nicht einmal ein Unentschieden verdient gehabt.»
Es wird spannend zu sehen, wie viel von der Ruhe und Stabilität Reals durch Kroos’ Rücktritt nach zehn Saisons bei Real Madrid verloren geht, wie gross sein Anteil daran war, dass das «weisse Ballett» nicht nur schön tanzt, sondern auch erfolgreich ist. Wobei der Generationenwechsel bei Real bislang fliessend verläuft. Vinicius Junior (23), Bellingham (20), Rodrygo (23) und Federico Valverde (25) sind zu Leistungsträgern gereift, und mit Kylian Mbappé dürfte der nächste Weltklasse-Spieler bald zum Team stossen.
Dortmunds Trost
Für Borussia Dortmund und den zweimal machtlosen Schweizer Keeper Gregor Kobel blieb die Enttäuschung. «Wir haben unsere Chancen gehabt, klar, müssen wir da mehr draus machen. Am Ende schlagen sie dann zu», befand Kobel. Worte, die schon manche Gegner von Real Madrid im Nachgang sprachen.
Zumindest kann sich der BVB damit trösten, dass er durch Reals Champions-League-Sieg einen ordentlichen Zuschlag für den Transfer von Jude Bellingham im letzten Sommer erhält und dass er nächste Saison trotz dem mageren 5. Platz in der Bundesliga erneut in der Champions League antreten darf. Möglich macht es die Aufstockung von 32 auf 36 Teilnehmer und das gute Abschneiden der deutschen Klubs im Europacup in dieser Saison.