Umso mehr Lust, weiterzumachen
Stan Wawrinka scheitert am French Open in den frühen Morgenstunden in vier Sätzen am Russen Pawel Kotow. Wenn es nach ihm geht, war es aber nicht der letzte Auftritt in Paris.
Die Geisterstunde neigt sich bereits dem Ende zu, als Stan Wawrinka vor die klein gewordene Schar von Journalisten tritt – schweisstriefend vom mehr als dreieinhalb Stunden dauernden Kampf mit Pawel Kotow. Auch das Adrenalin pumpt noch immer. Wawrinka zeigt sich nicht niedergeschlagen, sondern voller Emotionen – nicht nur negativen.
Er habe nicht schlecht gespielt, findet Wawrinka, gibt aber ehrlich zu: «Es war ein solider Match von mir, aber er war in den entscheidenden Momenten etwas aggressiver, ein wenig präsenter. Klar, bin ich jetzt enttäuscht.» Das ist wohl auch eine Frage des Selbstvertrauens. Kotow gewann in diesem Jahr schon 30 Partien und erreichte zwei Viertelfinals, zuletzt in Lyon vor einer Woche, und in Marrakesch sogar den Halbfinal. Wawrinka hingegen steht bei erst vier Siegen.
Die Liebe der französischen Fans
Die Fans auf den Tennisplätzen dieser Welt lieben den dreifachen Grand-Slam-Sieger aber noch immer. Das zeigen sie am späten Mittwochabend deutlich. Als einziges Spiel des Tages hatte die Turnierdirektorin Amélie Mauresmo die Partie zwischen Wawrinka und Kotow angesichts des Dauerregens auf den Court Suzanne-Lenglen, den zweitgrössten Platz und vor allem einen mit Dach, verschoben. War die Ambiance schon zuvor prickelnd, strömten nach dem Ende der von Jannik Sinner gewonnenen Night Session auf dem Hauptplatz nochmals eine grosse Zahl von Leuten zu Wawrinkas Match und sorgten für eine Riesenstimmung.
«Es war eine Wahnsinns-Atmosphäre», schwärmt der Schweizer. «Es fühlte sich an, wie wenn ich zuhause spielen würde. Das gibt wieder ein paar Erinnerungen mehr», erklärt der 39-jährige Waadtländer. «Solche Emotionen zu erleben, das ist selten. Wie ich auch schon gesagt habe: Das ist es, weshalb ich weitermache.»
Ein Jahr ist eine lange Zeit
Also plant er, in einem Jahr wieder in Paris zu sein? Wawrinka schnauft tief durch, überlegt kurz und sagt dann: «Das sind zwölf Monate. In meinem Alter schaut man nicht mehr so weit voraus.» Eines ist aber klar: «Im Moment habe ich grosse Lust, weiterzumachen. Das Niveau ist da, ich fühle mich gut. Aber ich muss auch wieder Matches gewinnen und das Ranking halten.»
Und wenn es gar nicht zwölf Monate dauert, um wieder zu kommen? Ende Juli stehen die Olympischen Spiele in Paris an. Wawrinka lächelt. «Ich würde es lieben», betont der Olympiasieger im Doppel von 2008. «Ich glaube aber, im Moment reicht mein Klassement nicht. Ich habe die Regeln etwas genauer angeschaut, und mit etwas Glück erhalte ich eine Wildcard.»
Die Fans in Paris würden es auf jeden Fall lieben. Geisterstunde hin oder her, Stan Wawrinka ist ein Star aus Fleisch und Blut, der die Leute an seinen Emotionen teilhaben lässt und diese selber in sich aufsaugt. Wenn es nach ihm geht, noch eine Weile länger. Nächster Stopp: Wimbledon.