Nur das Happy End fehlte
Kevin Fiala schreibt an der WM in Prag und Ostrava eine kitschige Geschichte ohne Happy End. Dass er der wertvollste Spieler des Turniers ist, ist auf einen enormen Reifeprozess zurückzuführen.
Es war für Fiala unmittelbar nach dem mit 0:2 verlorenen Final gegen WM-Gastgeber Tschechien kein Trost, dass er zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. «Im Moment interessiert mich das nicht. Wir wollten hier Gold», sagte der 27-jährige Ostschweizer.
So schrieb Fiala eine spezielle Geschichte ohne Happy End. Diese begann mit der verfrühten Geburt seiner Tochter, sonst wäre er es für ihn gar nicht möglich gewesen, nach Prag zu reisen. Kurz nach seiner Ankunft erzielte er gegen Tschechien, das Heimatland seiner Eltern, das 1:0 und traf im Penaltyschiessen als Einziger. Dann reihte er weiter Tor an Tor. Insgesamt traf er siebenmal und trug im Halbfinal gegen Kanada mit je einem Treffer und Assist sowie einem verwandelten Penalty massgeblich zum Finaleinzug bei.
Enorm entwickelt
Die Leistungen kommen nicht von ungefähr. Fiala hat sich in den letzten Jahren auch menschlich enorm entwickelt. Dass er ein aussergewöhnliches Talent ist, war schon früh zu erkennen. Mit 17 Jahren debütierte er bei HV71 Jönköping in der höchsten schwedischen Liga. 2014 zogen ihn die Nashville Predators im NHL-Draft als Nummer 11. Und Fiala ist einer von nur drei Spielern, die in einer Saison die U18-, die U20- und die A-WM bestritten haben.
Doch so gross sein Potenzial war: Er hatte früher einen Hang zur Überheblichkeit und konnte sehr impulsiv sein. So zeigte er im November 2015 in einer AHL-Partie den gegnerischen Spielern den Stinkefinger und wurde für zwei Begegnungen gesperrt. Er musste lernen, die Emotionen zu kontrollieren, was ihm auch dank der Zusammenarbeit mit einem Mentaltrainer gelang. Ausserdem meditiert er.
Fiala hat erkannt, wie wichtig jedes Detail ist – nicht nur auf dem Eis. Er ist sichtlich gereift und voller Demut. In der Saison 2021/22, in seinem letzten Vertragsjahr mit den Minnesota Wild, produzierte er in der Qualifikation erstmals mehr als einen Punkt pro Spiel. Das brachte ihm einen mit 55,125 Millionen Dollar dotierten Sieben-Jahres-Vertrag bei den Los Angeles Kings ein.
Traum in Erfüllung gegangen
Mit dem Engagement bei den Kaliforniern ging für ihn ein Traum in Erfüllung, hatte er sich doch in die Stadt verliebt, als er erstmals in Los Angeles war. Mittlerweile besitzt er ein schönes Haus in Manhattan Beach. Er schätzt dort auch, dass es keine Eishockey-Stadt ist. Man könne dort sein Leben leben, auch wenn es der Mannschaft nicht laufe, sagte Fiala. Dadurch denke er viel weniger über Eishockey nach, was es einfacher mache, konstanter zu sein.
Fiala ist nicht nur konstanter geworden, sondern auch kompletter. Wie gut er mittlerweile defensiv arbeitet, war auch in Prag zu sehen. Während der WM sagte er, dass er noch nie in einer stärkeren Schweizer Mannschaft gespielt habe, dass auch neben dem Eis alles stimme. Aber eben, die Krönung fehlte. Wie nah ihm das ging, war beim Empfang der Schweizer Mannschaft am frühen Montagnachmittag im Eisstadion in Kloten zu sehen – mit den Tränen kämpfend brach er ein Interview ab.
Fiala war schon 2018 dabei, als die Schweizer im Final gegen Schweden erst im Penaltyschiessen verloren. Damals vergab er in der Verlängerung eine Topchance zum Sieg. Das beschäftigte ihn lange, sein Hirn und Herz sagten ihm jedoch, dass eine andere Chance kommen werde. Darauf muss er nun abermals hoffen. Doch wie sagte einst sein Trainer bei Jönköping, Andreas Johansson: «Sein Potenzial ist so hoch wie der Himmel.» Fiala dürfte also noch für einige Schlagzeilen sorgen, und es wird mit Sicherheit die Zeit kommen, wo er mit Stolz auf die spezielle WM in Prag zurückschauen wird.