Die Silbermedaille der Schweizer glänzt noch nicht richtig
Die Schweizer Nationalmannschaft wird nach dem Gewinn der WM-Silbermedaille in Kloten empfangen. Trotz Feststimmung wiegt die Enttäuschung über den verpassten Titel nach wie vor schwer.
Die Eisfläche in der Klotener Arena ist längst abgetaut. Eishockey wird hier schon länger nicht mehr gespielt – obwohl nach Saisonende des EHC Kloten die Nati am Schluefweg trainierte und auch noch zwei Testspiele austrug. Aber Eishockeyfeste, die liessen sich auf dem Betonboden noch wunderbar begehen. So zumindest der Plan des Schweizerischen Eishockeyverbandes, der dem Nationalteam nach der WM in Tschechien einen gebührenden Empfang bereiten wollte.
Das T-Shirt, das es nicht geben sollte
Kurz nach dem Mittag öffnet der kleine Container mit dem Merchandising seine Klappe. Neben dem roten Trikot mit dem weissen Schweizer Kreuz hängt ein weisses T-Shirt. «Silver Heroes» steht in roter Schrift vor einer grossen, roten «2». Silberhelden. Die vier Mitarbeitenden haben sich bereits eines übergezogen und hoffen auf reissenden Absatz. Es ist das Produkt, das es in den Augen aller Anwesenden gar nie hätte geben sollen. Viel lieber hätte Mica Blaha, der Head of Merchandise beim Ausrüster Ochsner Hockey, am späten Sonntagabend der Druckerei den Auftrag für die goldene Variante erteilt. «Goldmedal» wäre da dann auf der Brust geprangt.
Es sei gar nicht so einfach gewesen, sich für einen geeigneten Claim zu entscheiden, sagt Blaha. Prägnante Schlagworte, welche die Gefühlslage der Hockeyschweiz nach dieser dritten WM-Finalniederlage nach 2013 und 2018 auf den Punkt bringen. Schliesslich sollen es die Fans trotz dieser neuerlichen Enttäuschung im Final gegen Tschechien, in dem das Team von Patrick Fischer das ganze Spiel lang Hoffnungen hegen konnte, es diesmal zu schaffen, mit Stolz tragen. Und den Fokus darauf richten, was an dieser WM gut gelaufen ist: dass die Schweizer eben trotz ausgebliebener goldener Krönung «Helden» seien.
Es ist ein Zwiespalt, den an diesem Nachmittag wohl das Gros der Anwesenden in sich trägt. Am meisten die Spieler, denen es nach einer kurzen Nacht und dem Flug am Morgen von Prag nach Zürich auch mit ein paar Stunden Abstand schwerfällt, das Geschehene einzuordnen. Und dieser Silbermedaille mehr Glanz abzugewinnen, anstatt dem Gedanken zu verfallen, dass sie wieder die falsche Farbe hat.
«Als Sportler willst du immer gewinnen», sagt Christoph Bertschy. «Da ist klar, dass in so einem Moment die Enttäuschung gross ist.» Für Nino Niederreiter ist es keine neue Erfahrung, so eine Feier einer WM-Silbermedaille. Der Churer kann nun schon die dritte solche Auszeichnung in seinen Medaillenschrank hängen. Und doch war die Mannschaft für den Stürmer der Winnipeg Jets in diesem Jahr am nächsten dran am goldenen Coup. Weil sie im Final mithalten und bis zum Schluss hoffen konnte, das Spiel auf ihre Seite zu kippen. «Das ist schon extrem schade.»
Fialas Emotionen
Als die Spieler kurz nach 14 Uhr überraschend pünktlich in der Arena eintreffen, flimmert auf der grossen Leinwand hinter der Bühne ein Zusammenschnitt von WM-Highlights. Es ist ein Moment, in dem Kevin Fiala die Tränen nicht unterdrücken kann. Dem Stürmer der Los Angeles Kings, der als zweiter Schweizer nach Roman Josi 2013 zum wertvollsten Spieler einer Weltmeisterschaft gewählt wurde, fiel es schon am Sonntagabend schwer, Worte zu finden. Der Rückblick auf das Turnier, das er kurz nach der Geburt seiner Tochter nur zu gern gewonnen hätte, lässt ihn erneut verstummen.
Als der St. Galler seine Stimme ein paar Minuten später wiedergefunden hat, sagt er, doch, er sei extrem stolz darauf, was die Mannschaft in den vergangenen Wochen geleistet habe, und ja, auch die Auszeichnung als MVP freue ihn. «Aber wir waren so nah dran, etwas noch Grösseres zu erreichen.»
Die Melancholie des DJs
Es ist der Tenor, der an diesem Montag in allen Voten der SIHF-Delegation mitschwingt. Das Gefühl einer «verpassten Chance», wie es Bertschy formuliert. Diese Niedergeschlagenheit kann auch der eifrige Stadion-DJ nicht ganz vertreiben, insbesondere dann nicht, wenn Herzschmerzklassiker wie «Tearin’ up my Heart» der Boyband NSYNC aus den Boxen dröhnen. Es ist bisweilen ein melancholischer Klangteppich, der besser passt als geplant. Denn für einige Fans dürfte sich die Niederlage gegen Tschechien tatsächlich «herzzerreissend» angefühlt haben.
Neben den Spice Girls, den Backstreet Boys und anderen Klassikern, welche die Herzen der Kinder der 90er-Jahre höherschlagen lassen, ist auch die «Stubete Gäng» präsent. Die Band aus dem Kanton Baselland durfte an der WM erneut den Schweizer Torsong zur Verfügung stellen. 35 Mal tönte «Richi» in den beiden WM-Arenen, ein 36. Mal vor den rund 2000 Fans, die den Weg nach Kloten gefunden haben.
Und die sich nach ein paar Stunden in den Regen verabschieden. Mit dem Glauben, dass die Silberhelden irgendwann sicher goldene sein werden.