Pogacar bei der Italien-Rundfahrt fast mit Start-Ziel-Sieg
Tadej Pogacar dominiert seinen ersten Giro d'Italia wie kaum jemand zuvor. Der Slowene fährt ab der 2. Etappe in der Maglia rosa und gibt diese nicht wieder her.
Am Samstag holte sich Pogacar die letzte Bergetappe und damit den sechsten Tagessieg. Ein Kunststück, das vor ihm bei einem Giro nicht einmal Rad-Legende Eddy Merckx gelungen war. «Vielleicht war der Sieg heute nicht nötig gewesen, aber ich wollte ihn für mich und mein Team», sagte Pogacar vor der Schlussetappe am Sonntag.
Und wenn der 25-Jährige in diesen drei Wochen der Italien-Rundfahrt etwas wollte, dann nahm er es sich einfach. Sagenhafte 9:56 Minuten trennten Pogacar vom zweitplatzierten Kolumbianer Daniel Felipe Martinez. Seit 1965 hat es keinen grösseren Vorsprung gegeben.
Zweiter Slowene nach Roglic
Dabei ist mit dem Giro-Sieg für Pogacar, der Primoz Roglic als nun zweiter slowenischer Sieger in der Geschichte des ersten Grand-Tour-Rennens des Jahres folgte, nur die Hälfte der Arbeit erledigt. Vor knapp einem halben Jahr hatte das Wunderkind des Radsports verlauten lassen, er wolle versuchen, den Giro und die Tour zu gewinnen. Zuletzt war das dem Italiener Marco Pantani 1998 gelungen. In der heutigen Zeit wird solch eine Aufgabe eigentlich als unlösbar angesehen.
Dass Pogacar den Giro wohl gewinnen wird, wenn er ohne Sturz und Krankheit bleibt, war schon vor dem Start in Turin klar. Schliesslich konzentrierte sich der Rest der weltbesten Gesamtklassement-Fahrer auf die Tour de France. Und so war allgemein erwartet worden, dass Pogacar in den Verwaltungsmodus gehen würde, sobald er ein beruhigendes Polster auf den Zweitplatzierten herausgefahren hatte. Ein massiver Irrglaube.
Der begnadete Alleskönner aus Slowenien gewann einfach, wie es ihm gefiel. «Ein Sieg ist ein Sieg, auch wenn es nur mit einer Sekunde ist. In diesem Giro geschah es eben einfach so», sagte Pogacar. Am Ende habe er das Rennen einfach mit hoher Moral und guten Beinen beenden wollen. «Es sollte ein guter Test für den Sommer werden. Das ist mir gelungen, deshalb bin ich glücklich.»
Der Konkurrenz entrückt
Die Chancen auf das Double sind nach der italienischen Demonstration sogar noch gestiegen. Nicht allein wegen der Verfassung, in der sich Pogacar befindet. Dass die härtesten Konkurrenten Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Roglic Anfang April geschlossen stürzten, spielt ihm zusätzlich ins Blatt. Evenepoel und Roglic starten kommende Woche beim Dauphiné-Kriterium, der klassischen Tour-Generalprobe. Ob der zweimalige Tour-Sieger Vingegaard überhaupt dabei ist, ist völlig offen.
Nach so einer langen Verletzungspause ist es ohnehin fraglich, ob der Däne Pogacar gewachsen wäre. Dieser scheint noch einmal einen Entwicklungssprung gemacht zu haben. Ein Trainerwechsel im Winter soll der Auslöser zur nächsten Leistungsstufe gewesen sein. Pogacar ist der Konkurrenz entrückt. Oder wie Geraint Thomas, mit seinen 38 Jahren beachtlicher Dritter des Giro, kommentierte: «Er ist der Beste, mit dem ich je gefahren bin. Es ist irrsinnig, wie talentiert er ist. Was die physische Begabung angeht, ist er einzigartig.»