Zweiter Anlauf unter neuer Flagge
Neue Besitzer, neuer Name, neue Spielorte. Innert kürzester Zeit musste sich das einzige Schweizer American-Football-Team in der europäischen Liga neu erfinden. Nun steht die Saison bevor.
Anfang April kam die überraschende Meldung. Obwohl bereits diverse Vertragsverlängerungen mit Spielern vermeldet worden waren, wurden die Helvetic Guards aufgelöst. Dabei hatte das Schweizer Team eine ansprechende erste Saison in der European League of Football gezeigt. Die Guards kamen zu drei Siegen, darunter der überraschende Erfolg gegen den späteren Finalisten Stuttgart Surge, und die Heimspiele waren gut besucht. Dennoch stand das Projekt eines semiprofessionellen American-Football-Teams in der Schweiz vor dem Aus.
Chris Rummel, der nun als Managing Director in der neuen Geschäftsleitung sitzt und die Franchise gegen aussen vertritt, gehörte zu einer Gruppe von bereits davor involvierten Personen, die das drohende Ende nicht wahrhaben wollten. «Als wir erfahren haben, dass der Spielbetrieb eingestellt werden soll, haben wir uns vernetzt und gemeinsam mit der Liga nach Lösungen gesucht», sagte er gegenüber Keystone-SDA. Die europäische Liga ELF hatte aufgrund bereits abgeschlossener TV-Verträge ebenfalls ein grosses Interesse am Weiterbestehen des Schweizer Teams.
Auch die Spieler wurden überrascht
Die neue Besitzergruppe musste nicht komplett bei null beginnen. Die meisten Spieler, die zum letztjährigen Team gehört hatten, hatten auch für die neue Saison zugesagt. Zwar wurden auch sie von den Ereignissen überrascht, trotzdem zeigten sich fast alle bereit, nochmals neue Verträge zu unterschreiben. In anderen Punkten standen die Verantwortlichen vor einem Neubeginn. Wie schnell alles gehen musste, zeigt der Umstand, dass noch nicht einmal der Name der Franchise bekannt war, als die Liga den Vertrag mit den neuen Besitzern vermeldete.
Inzwischen ist bekannt: Aus den Gardisten wurden Söldner, das «neue» Schweizer Team nennt sich Helvetic Mercenaries. Die Spiele werden nicht mehr in Wil, sondern mehrheitlich im Stadion Kleinfeld in Kriens ausgetragen. Einzig das Startspiel vom Samstag findet in Grenchen statt. Mit Wil habe man Kontakt gehabt, erklärte Rummel, sich aufgrund der breiten Fan-Basis dann aber doch für einen Standort entschieden, der etwas zentraler liege.
Saison auslassen keine Option
Vieles musste schnell gehen, einiges auch ein wenig improvisiert werden. Nicht zuletzt die Suche nach Sponsoren gestaltete sich in der kurzen Zeit schwierig. Denn die Arbeit für die Mercenaries ist für die allermeisten Exponenten eine, die nebenberuflich abläuft. Trotzdem kam es nicht infrage, die Saison auszusetzen und den Klub in Ruhe neu aufzubauen. Rummel bezweifelt, dass die Liga dem Schweizer Standort nach einem kurzfristigen Rückzug eine weitere Chance gegeben hätte. «Es wäre sehr schwierig geworden, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.» Und für die Sportart, die in der Schweiz ein Nischendasein fristet, wäre das Aus der einzigen semiprofessionellen Mannschaft ein Rückschlag gewesen.
So steht das Schweizer Team vor seiner zweiten Saison in der ELF, wobei es sich aber auch wie eine Premiere anfühlt. Am Samstag gastieren die Barcelona Dragons in Grenchen, bis Ende August stehen elf weitere Spiele im Programm. Der sportliche Erfolg ist zweitrangig. Es geht vor allem darum, Fuss zu fassen – dieses Mal nachhaltig.