«Ein Meistertitel ist nie selbstverständlich»
Kann eine Meisterfeier, bei der der Titel schon vorher praktisch feststeht, die grossen Emotionen auslösen? Die Young Boys zeigen in Genf, dass dies geht. Ein Titel sei nie selbstverständlich.
Kleinere Stolpersteine gibt es auch bei der sechsten Meisterfeier in sieben Jahren noch. Da ist zum einen Petrus, der gleich nach dem 1:0-Siegtreffer von Mohamed Camara die Schleusen über dem Stade de Genève so richtig öffnet. Und dann hat auch Goalie David von Ballmoos noch ein kleines Problem. «Wo sind eigentlich die Meisterzigarren», fragt er vor der Garderobe der Young Boys.
Die Stimmung ist ausgelassen. Minutenlang feiern die Berner im strömenden Regen mit den rund 2500 mitgereisten Fans. «Das ist nur Regen, kein Bier», erklärt Fabian Lustenberger, der Captain, der seine Karriere beendet, danach beim Interview seine nassen Kleider wenig glaubhaft mit einem breiten Grinsen. Die Situation war ja schon sehr speziell. Bei sechs Punkten Vorsprung auf Lugano und der um 19 Treffer besseren Tordifferenz stand der Meistertitel zu 99,999 Prozent schon fest. Und man hätte ja in Versuchung sein können, den definitiven Titel lieber am Samstag zuhause gegen Winterthur zu feiern.
Der spezielle Moment
Davon wollten die Berner aber nichts wissen. Der Moment, wenn der Titel feststehe, sei immer speziell. Oder wie es Fabian Lustenberger ausdrückt: «Theoretisch Meister sein ist einfach nicht das gleiche wie fix Meister zu sein. Das ist der Moment, wo du dann alles rauslässt, und das machen jetzt.»
Lustenberger gehört zu den Spielern, die sich Meisterfeiern gewöhnt sind. Dennoch betont der 36-jährige Musterprofi, der mit YB die ersten (und einzigen) drei Titel seiner Karriere feierte: «Ein Titel ist nie eine Selbstverständlichkeit. Das darf man nie vergessen.»
Dass es keine einfache Saison war, geben die YB-Protagonisten offen zu. Noch im März wurde Coach Raphael Wicky, mit dem man im letzten Jahr das Double geholt hatte, entlassen und mit Joël Magnin durch eine interne Lösung ersetzt. Dennoch versichert David von Ballmoos: «Wir sind eigentlich immer sehr klar gewesen, auch wenn es vielleicht von aussen nicht immer so ausgesehen hat. Am Schluss hätten wir es nie geschafft, wenn jeder in eine andere Richtung gegangen wäre.»
Eine super Mentalität
Sportchef Steve von Bergen stellt in Abrede, dass dies einer der schwierigeren Titel der letzten Jahre war. «Jeder ist schwierig, auch wenn es nicht immer so aussieht.» Natürlich habe man in dieser Saison Momente gehabt, in denen man nicht mehr so konstant gewesen sei. «Aber wir hatten eine super Mentalität.» Er streicht explizit das Verdienst von Wicky, aber auch dem gesamten Trainerstab, an diesem Titel hervor.
Besonders speziell ist der Sieg in Genf, seiner Heimatstadt, für den YB-Goalie Anthony Racioppi. Er hatte sich lange einen Zweikampf mit von Ballmoos um den Stammplatz geliefert, diesen letztlich verloren, aber beim Spiel gegen Servette noch einmal den Vorzug erhalten. «Ich habe mich sehr gefreut, nochmals die Handschuhe zu schnüren, das war heute sehr emotional.»
Von Ballmoos hebt den Respekt hervor, der in diesem zuweilen harten Duell um den Posten zwischen den Pfosten immer da gewesen sei. «Wir haben immer versucht uns zu pushen», sagt der Ur-Berner. «Ein grosses Kompliment an Anto, er hat in jedem Training Vollgas gegeben.»
Feier mit dem neuen Trainer
An die nächste Saison wollte Sportchef von Bergen noch nicht denken. «Lasst uns jetzt erstmal bis und mit Samstag geniessen, dann machen wir uns an die weitere Kaderplanung.» Sicher sind das Karrierenende von Lustenberger und der Abgang von Verteidiger Aurèle Amenda zu Eintracht Frankfurt.
Vor allem aber hat er die wichtigste Personalie bereits geklärt. Patrick Rahmen wird der neue Trainer, und ausgerechnet er ist mit Winterthur bei der Saisonabschlussfeier am nächsten Samstag zu Gast im Wankdorf.
Dann hatte es die YB-Delegation eilig, Genf zu verlassen. Im Wankdorf warteten die Fans auf die Mannschaft, um die Nacht zum Tag zu machen. Meisterfeiern sind eben auch beim Serienmeister nicht selbstverständlich. Man muss sie feiern, wie sie fallen.