Kein Lebenszeichen von Irans Präsidenten nach Helikopterunfall
Nach einem Unfall eines Helikopters mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und Aussenminister Hussein Amirabdollahian an Bord gibt es immer noch kein Lebenszeichen der Verunglückten. Laut Staatsmedien suchten in der Nacht zu Montag 65 Rettungsteams in der Provinz Ost-Aserbaidschan im Nordwesten des Landes nach dem Unglücksort. Strömender Regen und Wind erschwerten die Suche in der bergigen Region. Auch eine türkische Drohne flog zur Unterstützung der Suchaktion in den iranischen Luftraum. An Bord des Hubschraubers waren neun Menschen, darunter auch der Gouverneur sowie der Freitagsprediger aus der Provinzhauptstadt Tabris.
Der 63-jährige Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Aussenminister Amirabdollahian auf der Rückreise von einem Treffen mit dem Präsidenten des Nachbarlandes Aserbaidschan, Ilham Aliyev. Gemeinsam hatten sie dort einen Staudamm eingeweiht.
Wie iranische Medien berichteten, liegt der Unglücksort in der Nähe von Dscholfa – mehr als 600 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt, nahe der Grenze zu Aserbaidschan. Neben den Rettungsteams waren auch die iranischen Streitkräfte an der Suche beteiligt. Irans Kabinett kam unterdessen zu einer Notsitzung zusammen. Der erste Vizepräsident, Mohammed Mochber, leitete die Sitzung am späten Abend. Er wäre gemäss Protokoll im Todesfall Raisis der Regierungschef.
Grosse Sorgen bei Raisis Anhängern
In Raisis Heimatstadt Maschhad im Nordosten des Landes versammelten sich Dutzende Gläubige in dem zentralen Pilgerschrein, wie der staatliche Rundfunk berichtete. Auch in anderen Landesteilen, wie der religiösen Hochburg Ghom, strömten Anhänger in die Moscheen. Die Sorge war gross, dass Raisi und auch Aussenminister Hussein Amirabdollahian etwas zugestossen sein könnte. In den sozialen Medien hingegen gab es auch viele Iranerinnen und Iraner, die sich über das Unglück freuten. In den sozialen Medien breitete sich Schadenfreude aus. Irans Regierung warnte vor unbestätigten Informationen.
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Regierung steht wegen repressiver Politik in der Kritik
Raisi war im August 2021 als neuer Präsident des Irans vereidigt worden. Der erzkonservative Kleriker wurde damit offiziell Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl im Juni mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen. Seine Regierung wird seit Jahren wegen der repressiven Politik und der Wirtschaftskrise kritisiert.
Der Iran stand zuletzt immer wieder in den Schlagzeilen, jüngst drohte gar ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel. Während Raisis Amtszeit vertiefte die Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits über das heimische Atomprogramm ab. Ausserdem warf der Westen dem Iran massive Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor wenigen Tagen wieder Berichte über neue, indirekte Gespräche im Golfstaat Oman mit den USA.
Religiöser Hardliner: Raisi als Mann des Systems
Der 1960 in Maschhad geborene Raisi gilt innerhalb des Systems als einflussreicher, aber schwacher Präsident. Raisi war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig, 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er im Jahr 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, die ihm von Gegnern auch den Titel «Schlächter von Teheran» einbrachte. Laut Verfassung ist Raisi Regierungschef, Chamenei ist als Staatsoberhaupt mächtiger und hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort.
Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für Chamenei gehandelt, der im April 85 Jahre alt wurde. Innenpolitisch – auch wenn sich die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet – stand Raisi immer wieder unter Druck. Zuletzt hatte die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs vorangetrieben.
Raisis Tod dürfte Machtkampf auslösen
Sollten Raisi und Amirabdollahian bei dem Unglück ums Leben gekommen sein, dürfte die Islamische Republik in eine innen- und aussenpolitische Krise stürzen. Insbesondere Irans Aussenminister war seit Beginn des Gaza-Kriegs mehr in die Öffentlichkeit gerückt und bei zahlreichen Reisen zu Gast bei Verbündeten. Auch dürfte es der Staatsführung schwerfallen, den Regierungschef mangels Alternativen schnell zu ersetzen.
Im Todesfall dürfte ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-amerikanische Zeitschrift «The Atlantic». Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Sie würden seine schwache Präsidentschaft als Chance sehen, schrieb Azizi. «Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern.»