Tadej Pogacars nächste Machtdemonstration
Dem Slowenen Tadej Pogacar (25) gelingt in der Königsetappe des Giro d'Italia die nächste Machtdemonstration. Nach 222 km und 5400 Höhenmetern gewinnt Pogacar auch die 15. Etappe auf dem Mottolino.
Zwei Minuten und 40 Sekunden betrug vor dem Pfingstwochenende Pogacars Vorsprung in der Gesamtwertung. Im Zeitfahren am Gardasee am Samstag und in der Bergetappe am Sonntag nach Livigno baute der Slowene diesen Vorsprung auf 6:41 Minuten aus. «Jetzt fängt der Giro d’Italia erst an», meinte Pogacar am Samstag nach dem Zeitfahren. Spannung um den Gesamtsieg verspricht dieser Giro aber keine mehr.
Es muss in der letzten Woche der Rundfahrt schon Aussergewöhnliches passieren – ein schwerer Sturz oder gesundheitliche Probleme -, damit Pogacar diesen Giro d’Italia noch aus der Hand geben könnte. «In den Bergen ist aber immer alles möglich», so Pogacar, «Regen, Schnee, Kälte, was-auch-immer…» Realistischer erscheint, dass Tadej Pogacar den Vorsprung in der Gesamtwertung bis zur Ankunft in Rom in historische Dimensionen schraubt.
Rekordvorsprung?
In den letzten zehn Jahren betrug der Rückstand des Zweiten auf den Sieger am Giro stets weniger als drei Minuten. Vincenco Nibali triumphierte 2013 mit 4:43 Minuten Vorsprung. Aber das sind auch schon zwei Minuten weniger, als Pogacar jetzt schon vorne liegt. Die nächste Marke, welcher der Slowene jetzt hinterher fährt, sind die 9:16 Minuten Vorsprung von Ivan Basso aus dem Jahr 2006. Bassos Marke ist indessen mit einem Fragezeichen zu versehen, weil der Italiener ein Jahr später im Zug der «Operation Puerta» für zwei Jahre wegen Dopings gesperrt wurde, ehe er 2010 den Giro aber nochmals gewann.
Um den Tagessieg stritt sich Pogacar beim Schlussaufstieg nach Livigno und auf den Mottolino mit dem 34-jährigen Nairo Quintana. Der Kolumbier, Gewinner des Giro vor zehn Jahren und Gesamtsieger an der Vuelta vor acht Jahren, fuhr während der gesamten Etappe an der Spitze mit. Weil Quintana in der Gesamtwertung über 35 Minuten zurücklag, liess Pogacar ihn lange gewähren. 15 Kilometer vor dem Ziel läutete Pogacar indessen den Gegenangriff ein. Er holte fast vier Minuten Rückstand in den letzten beiden Aufstiegen auf. 1900 Meter vor dem Ziel flog Pogacar an Quintana vorbei und distanzierte ihn noch um eine halbe Minute.
Worüber sich Pogacar als Junior ärgerte
Nach dem Rennen schwärmte Pogacar auch von Quintana, über den er sich vor zehn Jahren, als er den Giro als 15-Jähriger am TV verfolgte, regelmässig aufgeregt hatte. «Ich konnte damals als aufstrebender Junioren-Radfahrer nie verstehen, dass Quintana nie früher angriff», erzählte Quintana. Das ist ein Vorwurf, der dem aktuell mit Abstand weltbesten «Gümmeler» sicher nie jemand machen wird. «Ich wollte diese Königsetappe unbedingt gewinnen», so Pogacar weiter. «Es war eine tolle Route mit schönen Aufstiegen. Wir freuten uns schon lange auf diese Etappe.»
Am Pfingstmontag zieht das Feld am Giro einen letzten Ruhetag ein. Für die anschliessend folgenden Bergetappen müssen Pogacars Gegner hoffen, dass der Slowene Kräfte schont – schliesslich will er im Sommer auch an der Tour de France weiter brillieren. Der Brite Geraint Thomas (6:41 zurück) und der Kolumbier Daniel Martinez (6:56) kämpfen um den ersten Rang hinter Pogacar.
In dieses Duell wollte auch der Australier Michael Storer aus dem Schweizer Tudor-Team von Fabian Cancellara noch miteingreifen. Nach einem Rennen ganz vorne an der Spitze büsste der Australier auf den letzten knapp 20 Kilometern aber noch zehn Minuten ein. Die beiden Schweizer Fabian Lienhard (46:17 Minuten) und Robin Froidevaux (47:05) büssten auf der Königsetappe mehr als eine Dreiviertelstunde auf Pogacar ein.