Corinne Suter lässt Comeback-Zeitpunkt offen
Corinne Suter, die sich im Januar einen Kreuzband- und Meniskusriss im linken Knie zugezogen hat, möchte Ende August wieder auf die Ski. Wann sie ihr Comeback gibt, lässt sie jedoch bewusst offen.
Es waren Schreie, die via TV-Leitung durch Mark und Bein gingen. Corinne Suter war bei der Abfahrt in Cortina d’Ampezzo nach einem Sprung im oberen Teil der Piste «Olimpia delle Tofane» hart gelandet. Sie konnte einen Sturz verhindern, musste ihre Fahrt jedoch abbrechen. Später kam die niederschmetternde Diagnose: Kreuzband- und Meniskusriss im linken Knie.
Knapp vier Monate später sitzt die 29-jährige Schwyzerin gut gelaunt in einem Hotel in Brunnen und stellt sich den Fragen der Medien.
Der Heilungsverlauf
«Mir geht es den Umständen entsprechend gut, ich bin sehr zufrieden», sagte Suter. Sie könne wieder normal laufen, eine halbe Stunde am Morgen, eine halbe Stunde am Abend. «Ich will nichts forcieren, sondern gebe mir die nötige Zeit, will erst wieder richtig mit dem Training beginnen, wenn die Verletzung zu hundert Prozent verheilt ist.» Die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2022 setzt sich keine utopischen Ziele und nicht unter Druck, sondern denkt pragmatisch.
Entsprechend legt Suter auch keinen genauen Zeitpunkt für ihr Comeback fest. Ob das Speed-Opening am 14. Dezember in Beaver Creek zu früh kommt, kann sie nicht abschätzen. «Grob gerechnet könnte ich Ende August, Anfang September wieder mit dem Schneetraining starten», sagt sie.
Der mentale Aspekt
Die körperlichen Schmerzen bei einer Kreuzband- und Meniskusverletzung sind das eine. Nicht zu vernachlässigen sind die mentalen Narben, die Erlebnisse wie in Cortina mit sich bringen. «Ich habe Zeit für mich gebraucht, deshalb ist es etwas ruhiger um mich geworden», sagt Suter. Die Unsicherheit sei das schwierigste gewesen. «Was kommt auf mich zu? Wo mache ich die Reha? Was mache ich mit all der Zeit?»
Zu Beginn musste sie überall gebremst werden. Geduld zu haben und Dinge zu akzeptieren – also Aspekte, die Suter vor der Verletzung eher fremd waren – musste sie lernen. Ihre Reife und ihr Alter hätten ihr dabei sehr geholfen. «Vor zehn Jahren wäre ich nicht so cool damit umgegangen», ist sie sich sicher. Familie und Freunde würden sie nun beinahe nicht mehr erkennen, so ruhig sei sie geworden.
Suter spricht von Verarbeitung und meint damit nicht nur jene der Geschehnisse in Cortina. Während ihrer ganzen bisherigen Karriere ging es immer weiter, Schlag auf Schlag, oder besser: Rennen auf Rennen, Saison auf Saison. «Ich konnte gar nichts verdauen über all die Jahre», sagt sie. Weder Positives wie den Olympiasieg oder den Weltmeistertitel, noch Negatives wie den schweren Sturz in Cortina vor einem Jahr.
Die Ruhe, das betont sie an diesem Dienstagnachmittag am Ufer des Vierwaldstättersees immer wieder, habe sie genossen.
Das Verhältnis zu Cortina
Spätestens wenn Corinne Suter in Cortina d’Ampezzo wieder am Start steht, wird es vorbei sein mit der Ruhe um sie, werden all die Geschichten, die sie mit dem Ort in den Dolomiten verbindet, wieder hervorgeholt. All die schönen, aber auch weniger schönen: Die Abfahrt, mit der sie sich auf der Piste «Olimpia delle Tofane» 2021 zur Weltmeisterin krönte; die WM-Silbermedaille im Super-G; der fürchterliche Sturz ein Jahr später, bei dem sie sich eine Gehirnerschütterung zuzog; die schwere Knieverletzung, an deren Folgen sie noch heute leidet.
«Cortina ist und bleibt eine meiner Lieblingsabfahrten», sagt Suter, auf ihr Verhältnis zu jenem Ort angesprochen, wo in zwei Jahren die Olympiamedaillen vergeben werden. «Klar, in den letzten beiden Jahren habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Aber ich versuche, mich auf die positiven Erinnerungen zu stützen.»
Mit bald 30 Jahren befindet sich Corinne Suter noch nicht auf der Zielgeraden ihrer Karriere, sondern vielmehr im besten Alter. Und trotzdem wäre es nicht vermessen gewesen, hätte sie sich nach dem Kreuzbandriss Gedanken über ein vorzeitiges Karriereende gemacht. «Das war bei mir aber nie Thema», sagt sie, «sondern eher das Gegenteil.» Sie habe kein Rennen verpasst, sondern alles genau verfolgt – «mit positiven Emotionen. Man wird demütig und schätzt, was man hat, was man machen kann und wie schön man es eigentlich hat.»