Familiennachzug soll künftig ein Jahr früher möglich sein
Familienangehörige von in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Personen sollen künftig bereits nach zwei statt drei Jahren nachgezogen werden können. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung reagiert der Bundesrat auf ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kam 2021 zum Schluss, dass die automatische Anwendung einer Wartefrist von mehr als zwei Jahren unvereinbar sei mit dem Recht auf Familienleben nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Bundesverwaltungsgericht passte in der Folge seine Rechtsprechung an.
Nun will der Bundesrat das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) anpassen. Er hat am Mittwoch die Vernehmlassung dazu eröffnet. Die dreijährige generelle Wartefrist für den Familiennachzug von vorläufig aufgenommenen Personen soll auf zwei Jahre reduziert werden.
Seit dem EGMR-Leiturteil muss das Staatssekretariat für Migration (SEM) bereits ab einer Wartefrist von zwei Jahren prüfen, ob die Voraussetzungen für den Familiennachzug gegeben sind. Der Bundesrat möchte nun Rechtssicherheit schaffen und diese Praxisanpassung auf Gesetzesebene umsetzen, wie er schrieb.
In besonderen Fällen, etwa wenn sich Kinder in besonders prekären Umständen befinden, soll der Familiennachzug gemäss Entwurf auch vorher bewilligt werden können. Die Vernehmlassung dauert bis zum 22. August 2024.
Laut dem Bund haben zwischen 2018 und 2022 durchschnittlich 333 Personen mit vorläufiger Aufnahme pro Jahr ein Gesuch um Familiennachzug gestellt, bei rund 126 Personen wurde dieses gutgeheissen. Mit der neuen Regelung sei somit aufgrund der kürzeren Wartefrist vorübergehend mit rund 126 zusätzlichen Familiennachzügen zu rechnen.
Insgesamt sollte es aber zu keiner Zunahme von Familiennachzügen kommen, da die Voraussetzung wie die wirtschaftliche Unabhängigkeit für einen Familiennachzug bestehen bleiben, wie es im erläuternden Bericht zur Vernehmlassung heisst. «Gleichzeitig könnte durch die Fristverkürzung die Integration und die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit insgesamt gefördert werden.»