Unter Mauro Lustrinelli ist Thun wieder ein Aufstiegskandidat
Als Spieler hat Mauro Lustrinelli Sternstunden mit dem FC Thun erlebt. Nun kann er die Berner Oberländer als Trainer zurück in die Super League führen. Die nächsten Tage sind wegweisend.
Er kann es immer noch. Beim Aufräumen der Trainingsutensilien zeigt der Thuner Trainer Mauro Lustrinelli nicht nur, dass er hohe Bälle problemlos an- und mitnehmen kann, sondern auch die Treffsicherheit, die ihn als Stürmer ausgezeichnet hat. So befördert der 48-Jährige einen Ball aus rund 15 Metern Entfernung genau in die von einem Spieler geöffnete Balltasche.
Die Stimmung in der Stockhorn Arena ist ausgelassen. Denn seit dem vergangenen Wochenende steht auch rechnerisch fest, dass die Berner Oberländer mindestens die Barrage um den Aufstieg in die Super League bestreiten werden. Es könnte aber auch zum direkten Aufstieg reichen. Mit einem Spiel mehr auf dem Konto liegt Leader Sion vier Punkte vor den Thunern, am Montag treffen die beiden Spitzenteams zum vierten Mal in dieser Saison aufeinander. Bisher gab es zwei Siege für Thun und ein Unentschieden. Zudem spielen die Thuner im eigenen Stadion, in dem sie in dieser Saison noch ungeschlagen sind.
Zuvor, am Freitag, muss sich Thun allerdings noch auswärts gegen Aarau beweisen. «Uns stehen intensive Tage bevor», sagt Lustrinelli. «Aber wir freuen uns über die spannende Lage, in der wir uns befinden. Es steckt viel Arbeit dahinter.»
Ein klarer Plan und genug Zeit
Viel Arbeit und auch Geduld. Denn als Lustrinelli, der davor vier Jahre das U21-Nationalteam trainiert hatte, 2022 seinen Posten in Thun antrat, lief es zunächst nicht nach Wunsch. In der letzten Saison, in der es drei Aufsteiger gab, belegten die Thuner nur den 6. Platz. «Wenn du etwas Neues anfängst, weisst du nie, wie viel Zeit es braucht», erklärt Lustrinelli. Das Problem: Der Profi-Fussball ist schnelllebig, Zeit ein rares Gut.
Dem Tessiner kam entgegen, dass die Vereinsführung um Präsident Andres Gerber, seinen ehemaligen Mitspieler, nicht auf den schnellen Erfolg drängte. Der Trainer sollte Zeit bekommen, um mit den begrenzten Mitteln des finanziell schwachen Klubs etwas Nachhaltiges aufzubauen.
Wie kaum ein anderer Verein setzten die Thuner auf Spieler aus der Region und auf den eigenen Nachwuchs. Im letzten Spiel gegen Bellinzona standen fünf Akteure in der Startaufstellung, die zwischen 20 und 23 Jahre alt sind und aus der eigenen U21 stammen. Einer von ihnen ist Daniel Dos Santos, der im Januar als bester Spieler der Challenge League ausgezeichnet wurde.
Auch wegen seiner erfolgreichen Ausbildungsarbeit wird Lustrinelli bei Super-League-Klubs wie YB und Zürich als möglicher Trainer gehandelt. Gerüchte, die der Tessiner natürlich nicht kommentiert. «Ich sehe es einzig als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
Vom «Schlitzohr» zum Ausbildner
Dass Lustrinelli einmal Trainer werden würde, war damals nicht für alle klar – auch nicht für den Thuner Klubpräsidenten. Als Spieler sei Lustrinelli ein Schlitzohr gewesen, sagte Gerber letzten Herbst in einem Interview mit Tamedia. Solche Spielertypen würden normalerweise keine Trainerkarriere einschlagen.
Lustrinelli, der erst ein Wirtschaftsstudium absolvierte, ehe er als Fussballer durchstartete, hat dies aber immer als Option gesehen. «Hätte es mit dem Fussball nicht geklappt, wäre ich wohl Mathematiklehrer geworden», sagt er. «Jetzt kann ich Fussball lehren. Das ist noch besser!»
Und nun braucht es womöglich nicht einmal einen Wechsel, um nächste Saison in der Super League an der Seitenlinie zu stehen. Die Thuner haben jedenfalls nach vier Jahren in der Challenge League genug und wollen zurück in den Kreis der besten Schweizer Klubs. «Wir spüren, dass wir ein schönes Kapitel in der Klubgeschichte schreiben können», sagt Lustrinelli, der die erfolgreichste Phase des Vereins nicht nur als Spieler miterlebt, sondern auch aktiv mitgestaltet hat.
Die Zeit, als «Lustrigol» mit Thun die Champions League aufmischte und auf Arsenal, Ajax Amsterdam und Sparta Prag traf, liegt allerdings schon lange zurück. Bald 19 Jahre ist es her. Lustrinelli erinnert sich gerne daran, will aber nicht in Erinnerungen schwelgen. «Jetzt zählt nur das, was kommt. Wir müssen jeden Tag an uns arbeiten und versuchen, immer besser zu werden. Die Fans dürfen träumen, das Team nicht.»